2020 – von Ferkeln, brauner Brühe und hartem Brot

Wir alle haben es, trotz beschlagener Brillen und Geisteszustände – bemerkt: Das Jahr 2020 nach christlicher Zeitrechnung (2564 buddhistischer Kalender, 1441–1442 islamischer Kalender, 5780–5781 hebräischer Kalender, 18’012 Nienetwil-Kalender) ist zu Ende. Dumm gelaufen, was?

Natürlich könnte ich nun in das allgemeine Gejammer einstimmen von nicht gefeierten Partys, über nicht gemachte Einkaufsbummel durch die schönsten Einkaufsmeilen der Schweiz, von Paris, Berlin, Mailand oder Wien klagen und davon, dass ich mir ganz bevormundet vorkomme, weil ich nicht die Sau rauslassen konnte. Tue ich aber nicht. Ganz sicher werde ich mich auch nicht über das Wegbleiben von Aufträgen und Ähnliches beklagen.

 

Einst lebte ein kleines Ferkel. Es war ganz bunt und alle fanden es lustig und schauten ihm gerne zu, wenn es spielte. Selbst die anderen Ferkel liessen ihm Platz am Bauch der Muttersau, wo es an den Zitzen saugte und sich nährte. Als es grösser und fetter wurde, da hätte es eigentlich Platz machen müssen, aber es bestand darauf, weiter an den Zitzen saugen zu dürfen, denn es sei ein lustiges Ferkel und es sei wichtig, dass es das bleibe, denn alle würden sich wegen ihm freuen und es geniessen, wenn das Ferkel herumtollen würde. Also stimmten die anderen Ferkel und auch die Muttersau zu und so saugte das Ferkel weiter, bis es selber eine ausgewachsene Sau war. Noch immer saugte es an den Zitzen der Mutter. Doch eines Tages wurde die Bache krank und es floss kaum noch Milch für die Ferkel. Das inzwischen zur Sau gewordene lustige Ferkel verhungerte fast, denn es hatte nie gelernt, wie man sich selber ernährt. Also jammerte es den ganzen Tag herum und grunzte böse, während die anderen Ferkel im Boden nach Wurzeln und vergessenen Kartoffeln wühlten. Ab und zu kam auch jemand vorbei und schüttete über allen Futter aus, doch sie alle leideten dennoch Hunger, und ganz besonders das inzwischen erwachsene Ferkel. Es jammerte und jammerte und wollte einfach nicht aufhören. Eines Tages hörte jemand das Gejammer und erbarmte sich. Schnell erschlug es die Sau, um ihr Leiden zu beenden. Es gab ein grosses Fest im Dorf und alle konnten wieder einmal satt werden.

ENDE

 

 

Es begab sich einmal in einem Dorf, da gab es für viele nur noch hartes Brot zu essen. Da standen die Leute beisammen und jammerten. Natürlich wussten sie, dass es im Hüttenlager beim Wald überhaupt nichts mehr zu essen gab, doch die Dörfler sagten sich, dass sie ja nur hartes Brot hätten und da nun wirklich nicht die Kraft fänden, zu helfen. Stattdessen wählten sie einige der Stärkeren aus, damit diese eine Hecke hinpflanzen sollen, denn man wollte diesen Anblick der ärmlichen Hütten nicht weiter ertragen. Zudem forderten sie vom König, dass er ihnen endlich etwas zu essen geben solle.

Der König erhörte sie, machte in seinem Schloss das Fenster auf und warf säckeweise frisches Brot heraus.

Da standen die Leute wieder auf dem Dorfplatz und plärrten laut zum Schloss hoch: «Das ist ja nur Brot!»

ENDE

 

2020 war gewiss nicht eines der einfacheren. Man könnte sogar zum Schluss kommen, dass es schwierig war. Ja, das war es. Allerdings nicht für uns hier in der Schweiz. Wir hatten zwar hartes Brot zu knabbern, aber hartes Brot ist immer noch besser als kein Brot!

Wenn man so am harten Kanten seines harten Brotes lutscht, dann schadet es nicht, ein bisschen Nachrichten da zu schauen, wo auch das gezeigt wird, was nicht mit unseren Corona-Luxusproblemen zu tun hat. Man kann die Klonmoderatorinnen und -moderatoren im Schweizer Fernsehen wegzappen und ins Ausland blicken. Dann sieht man die Zerbombten in Syrien, die Ersaufenden im Mittelmeer, die Erschossenen und Inhaftierten in Russland, der Türkei, Belarus, Hongkong  und zwei Dutzend anderen Ländern dieser Welt. Sieht die brennenden Unterkünfte in Moria und die frierenden Fliehenden aus ebenda, die verprügelt und vor Kälte zitternd an der bosnischen Grenze stecken geblieben sind.

Es ist unbestritten, dass vielen Menschen hier grosses Leid widerfahren ist. Sei es wirtschaftlich oder auch körperlich. Das soll nicht geschmälert werden. Es soll aber auch nicht ins Heroische emporgehoben werden. Noch immer sterben in der Schweiz Menschen im Verkehr, an Krebs oder anderen Krankheiten, verlieren ihre Jobs oder die aufgebauten Betriebe. Das war im letzten Jahr so und das wird auch noch so sein, wenn Corona Geschichte ist. Keiner weiss wirklich, wie wir aus der Situation herauskommen, und daher haben einfach alle gleichermassen unrecht. Aber das nützt natürlich nichts, macht das Leben nicht einfacher, die Toten nicht lebend. Es gibt kein Rezept, dafür viel Verwirrung und schafft eine generelle Ahnungs- und Orientierungslosigkeit, die nur noch vom Hauptbahnhof Zürich übertroffen wird.

Ich sehe Menschen, die diese Orientierungslosigkeit ausnutzen und die Leute auf ihre Seite ziehen wollen. Die dunkle Seite. Früher haben sie gelbe Westen getragen, damit man sie in der Dunkelheit besser erkennt. Heute erkennt man sie, dass sie sich ohne Maske im Gesicht in Scharen auf Plätzen zusammenrotten und laut seltsame Dinge bellen.

Und dann sehe ich, wie sich weisse alte Männer NUHR auf sich selbst besinnen, über Mädchen herfallen, die die Welt retten wollen, und Frauen, die sich getrauen, auf ihre Probleme aufmerksam zu machen, die sie haben, weil ihre Haut dunkel und ihr Haar kraus ist. Menschen, die NUHR sich sehen, sind die kleinen stinkenden Blasen, die aus einer ekligen braunen Brühe hervorquellen und wie stinkende Eiterbeulen aufplatzen, um ihren Gestank in der Welt zu verbreiten. Es sind die «Manwirddasjanochsagendürfen»-, «Früherwarallesbesser»- und «Wirsinddasvolk»- Stinkblasen.

Und die ImpfgegnerInnen, die VerschwörungstheoretikerInnen oder dieser Straftäter und Querdenker Michael Ballweg mit seinem Gesinde, der eigentlich nichts anderes als ein wunderbares Geschäftsmodell entdeckt hat und dazu Abertausende Dumme, die es finanzieren; sie alle reiten auf dieser Corona-Welle mit und suhlen sich in ihren Ausscheidungen, die von den anderen Spinnern lustvoll geteilt werden.

Wuää! Würg! Aber so sieht es aus. Ansonsten vernünftige Menschen überhäufen einen mit Scheissdreck aus dem Internet, bis er einem stinkend bis zum Halse steht.

Was aber dagegen unternehmen? Erfakten!

Erfakten: «Die Erfaktung oder das Erfakten ist eine Tätigkeit, bei der eine Person (”Verunmelder” genannt) besonders geistiger Abwesenheit und/oder übertölpelter Seinigkeit, und in sträflicher Weise verunmeldend, anhand gut belegter Fakten zur Erstillung gebracht wird. Die Erstillung zielt insbesondere auf eine Vereinkehrung und Reorganisierung des Gedankenhaushaltes sowie der Seinigkeit.»

Die Erfaktung bedarf, das muss man leider sagen, eines gewissen Aufwandes, da die dazu notwendigen Fakten erst zusammengesucht werden müssen. Hierzu gibt es aber nun bereits verschiedene Lichtungen im Datendschungel, die dies erleichtern. So zum Beispiel www.politifact.com, www.apnews.com, www.correctiv.org

Es ist ein Leichtes für jede und jeden von uns, den Unsinn, den wir täglich zu sehen und zu hören bekommen, hier zu checken und dann den oder die Absender von Lügen und Falschinformationen zu erfakten.

Die grösste Gefahr in diesem Jahr war nicht Corona, auch wenn Corona leider sehr viele Menschen das Leben gekostet hat. Die grösste Gefahr in diesem Jahr war die Konsolidierung des Alternative-Fakten-Denkens. QAnon und der ganze demokratiezersetzende rechte und tieflinke Mob von evangelikalen, baumumarmenden, betenden, hitlergrüssenden, gesundheitssystemverweigernden, identitären und politikverdrossenen äh Dingsbumse (ich mag wirklich nicht Arschlöcher sagen) sind keine Opfer der Gesellschaft, von Corona oder der Politik. Es sind denkfaule Täter, die sich mehr oder weniger bewusst daran machen, die Demokratien zu destabilisieren und damit die russische Propaganda (ha, dass man das wieder einmal sagen kann!) unterstützen, die nachgewiesenermassen seit Jahren nichts anderes im Sinn hat, als genau das zu erreichen, und es mithilfe von gaaaanz rechtsaussen sogar schafft.

Nun gut! Ende Jahr also. Die Kunst, ein Jahr gut zu beenden, besteht nicht darin, Bilanz zu ziehen und sich Vorsätze zu machen. Die Kunst, ein Jahr gut zu beenden, besteht darin, bereits im laufenden Jahr die Saat für das nächste ausgebracht zu haben. Wer das verpasst hat, naja, der hat Pech gehabt und das nächste Jahr wird eben wie es wird. Hoffen wir das Beste. Nicht wahr?

 

Und was tat ich selber in diesem Jahr? Ist die Saat ausgebracht?

Das ist sie. Und es war für mich ein wunderbar schreckliches, verwirrendes und zugleich klärendes Jahr. Ein Jahr voll energiereichem kreativem Schaffen und sinnvoller Arbeit.

 

Solches tat ich also:

64        Blogeinträge auf Löffelburg.ch geschrieben; davon 43 Kurzgeschichten, 3 Kurzfilme und sechs Gedichte (fast alle unter Löffelburg.ch nachzulesen)

1          Büro für meine geliebte Ehegattin gebaut (altes Zimmer entkernen, isolieren, Verkleiden, Kalkverputz und Parkettboden, inklusive Lichtsystem und so weiter)

1          WC umgebaut (mit hübschem Stucco und antikem Waschbecken)

1          Volk erfunden (Skandaj – nachzulesen unter nienetwil.ch)

1          Zahl- und Zählsystem erfunden (siehe oben)

1          Sprache erfunden (Alaju – inkl. Grammatik und dem ganzen Krimskrams) (siehe oben)

1          Die Biografie von Miribal Ciséan geschrieben

1          Wiki aufgebaut

1          CRN gestaltet und zusammen mit David Krieger mit Artikeln gefüllt

8          Bilder gemalt (keine wirklich guten, aber he, ich habe nicht behauptet, dass ich all das, was ich gemacht habe, auch gut tat!)

1          Ein Bootsunglück mit Laurent überlebt (und deswegen mit dem Malen begonnen)

1          Schwein zerlegt

1          Bamby zerlegt

1          Küchenmöbel gebaut

4          Lieder in Alaju geschrieben

1          Dutzend saugute Ideen gehabt, von denen mir die Zeit fehlt, auch nur die Hälfte umzusetzen

4          Saugute Ideen umgesetzt

239      Abendessen gekocht

2541    Stunden geschlafen und die Welt erträumt, wie sie sein müsste

74        Stunden daran gearbeitet, dass die Welt so wird, wie ich sie mir erträumt habe

16        Weltraumflüge, davon einen ungewollt

1/2      Dutzend Leute wütend gemacht

2/3      Dutzend Leute glücklich gemacht

151      Mal auf das abendliche Sitzen vor der Glotze verzichtet und all das getan, was ich sonst nicht hätte tun können

Vieles mehr, das hier aus verschiedenen Gründen unerwähnt bleiben soll.

Mein 40-%-Pensum als Geschäftsführer der Stiftung Fotodok oder die Arbeit als selbstständiger Fotograf soll hier nur kurze Erwähnung finden.

 

Was, verdammt noch mal, gäbe es da also zu jammern? War ich nicht fleissig? War ich nicht kreativ? War ich nicht nett zu den Kranken und Siechen? War ich nicht ungeduldig und gnadenlos zu den Bösen? Habe ich mich nicht von der Zitze abgewandt, um selber nach Knollen zu suchen?

Doch, solches war ich und solches tat ich, und ich habe nichts zu bereuen. Dem neuen Jahr sehe ich wie ein Boxer entgegen, der einen Kampf mit Muhammad Ali erwartete und Godzilla in den Ring steigen sieht. Godzilla mit Rotkäppchen an der Hand! Was für ein unglaublicher Fight das wird!