Utopie auf zwei Seiten

Wir glauben sehr daran, dass es möglich sein wird, dass der Mensch eines Tages in Frieden lebt. Die Kulturen respektiert werden und Menschen weder sich selber, einander, Tiere, Dinge und besonders nicht den Planeten ausbeuten, respektlos behandeln, verletzen oder gar töten.

Lassen Sie mich auf zwei Seiten erläutern, wir das angehen möchten.

Wir können den Menschen nicht von heute auf morgen zu einem anderen machen, denn: Den Menschen gibt es nicht. Es gibt nur die Menschheit und darin Individuen. Individuen leben in realen oder virtuellen Gruppen, in denen Regeln gelten, die die Individuen als moralische, religiöse oder gesetzliche, also kulturelle, Konstanten annehmen und umsetzen.

Zu diesen Konstanten gehört auch das geschichtliche Erinnern. In diesem wird für das Kollektiv die Erinnerung an seine Vergangenheit aufbereitet. Das geschieht immer wieder neu und ist immer politisch und religiös instrumentalisiert. Ob im antiken Ägypten, bei den Griechen und Römern, in den chinesischen Reichen, bei den Maya und Azteken, den Stämmen Nordamerikas oder Afrikas: Überall zeigt sich, dass nicht die Vergangenheit eine Konstante ist, sondern nur, dass in einer bestimmten Art und Weise daran erinnert wird.

Was aber ist mit der Vergangenheit selber? Geschichte selber ist keine Konstante. So wenig, wie das die Gegenwart oder Zukunft ist. Alle drei sind im besten Falle konstant fluktuierend, unscharf, zerrissen, real oder irreal. Weniger als 20 Prozent aller Zeugenaussagen in polizeilichen Vernehmungen sind zuverlässig, und Befragungen von Kriegsveteranen zeigen, dass deren Erinnerungen kaum noch etwas mit den wirklichen Ereignissen zu tun haben und die Bilder aus Nachrichten und Spielfilmen ihre eigenen Erinnerungen überlagern.

Die erinnerte Vergangenheit kann deshalb als ein Konstrukt unserer Fantasie definiert werden. Das gilt jedoch nicht für die Ereignisse, die sich in der Vergangenheit ereignet haben. Holocaust, Hiroshima, das Unrecht der Sklaverei, Mord und Unrecht an den Indigenen Nordamerikas, Südamerikas oder Afrikas, die Massenvernichtungen durch Stalin, Mao oder Hitler und ihre Schergen und Völker, und ebenso der Konquistadores – all das sind Ereignisse, die objektiv mit Fakten belegt werden können und stattfanden. Nur, um es etwas plakativ zu sagen, ist unsere Erinnerung daran, je nachdem ob mein Grossvater ein Cowboy war oder ein Indianer, eine andere.

Vergangenheit wird also von Individuen und von Gruppen je nach deren kulturellen, politischen oder religiösen Prägung zu jeder Zeit anders wahrgenommen, da sie, eben zu verschiedenen Zeiten, politisch und/oder religiös instrumentalisiert wurde und wird.

Heute leugnen Querdenker und Reichsbürger in Deutschland den Holocaust, obwohl er durch Fakten belegt ist. In Nordamerika wird von QAnon-Anhängern die Sklaverei geleugnet und rechte Kreise negieren bis heute das Unrecht, das an den indigenen Stämmen verübt wurde. Trotz gegenteiliger Belege durch Fakten gibt es Menschen, die nicht nur einfach in religiösem Eifer, sondern auf Pseudo-Fakten aufgebaut behaupten, die Erde sein erst einige Tausend Jahre alt und ihr Gott habe diese in nur sieben Tagen erschaffen.

Wie soll eine Zukunft aussehen, die auf so eine Vergangenheit aufgebaut ist? Vor uns blicken wir auf eine Vergangenheit wie eine Fata Morgana in der Wüste. Sie flirrt unscharf vor uns hin und her und neckt uns mit Spiegelungen ferner Ereignisse. Hinter uns, und nicht erkennbar, liegt eine Zukunft, von der wir nur gerade so viel erahnen können, wie es uns möglich ist, den Kopf zu drehen. Da spielt sich irgendetwas in den Augenwinkeln ab, das unser Hirn, gerade so wie bei jemandem, der ängstlich durch den Wald geht, mit all den Ängsten oder Hoffnungen füllt, die es in dieses Huschen interpretieren will.

Das Unrecht, das morgen geschieht, wird das Unrecht sein, das wir übermorgen rechtfertigen oder verdrängen müssen. Wäre es nicht besser, es also einfach bleiben zu lassen? Das wäre es wohl, jedoch steht dem etwas im Wege, das wir nicht beeinflussen können: das Jetzt. Das jetzt gleich und diesem Moment Geschehende. Es lässt sich nicht beeinflussen, denn es ist durch Ursache und Wirkung des Gestern und Morgen gesteuert.  

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Es macht den Eindruck, dass es keinen Ausweg gäbe und wir alle in eine Katastrophe brettern. Ist es das?

Wir glauben nicht. Wir glauben, es gibt einen Ausweg, und der Ausweg heisst «visionäre Vergangenheit».

Nehmen wir einmal an, wir könnten uns auf die oben geschriebenen Aussagen zu Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft einigen, und nehmen wir an, sie vertrauen ihrer eigenen Logik, dann wird Sie dieses Gedankenspiel sicher überzeugen.

«Visionäre Vergangenheit» ist das Gerüst, auf das wir die Utopie einer friedlichen, sich mit Respekt begegnenden Menschheit aufbauen wollen. Eine Menschheit, in der kein Unterschied gemacht wird zwischen Mann und Frau, Schwarz und Weiss oder Mensch und Nichtmensch. Eine Menschheit, nicht eine Gesellschaft, denn eine Gesellschaft definiert sich immer über Ausschliesslichkeit und Einschliesslichkeiten. Diese Utopie definiert aber gerade das Gegenteil. Nichts ist ausgeschlossen, alles ist einbezogen. Sie ist nirgends und überall. Die Utopie heisst Nienetwil.

Um dieses Gerüst einer «visionären Vergangenheit» zu bauen, haben wir unsere Vergangenheit ebenso angepasst, wie das seit Jahrzehntausenden gang und gäbe ist. Wir haben einfach etwas dazu erfunden, das unserer Utopie Legitimation verschafft. Wir haben ein alle Völker und Kulturen verbindendes Element erfunden. Etwas, das wir alle gemein haben, das in jeder und jedem von uns steckt und eigentlich schon immer raus wollte. Wir haben die Nienetwil-Kultur erfunden. Eine Kultur, basierend auf dem mit dem Homo sapiens verwandten Homo Nienetwilensis. Wir haben dazu eine Sprache erfunden, die auf den Sprachen der Welt gründet. Von Armenisch, Baskisch, Cree über Indoeuropäisch, Maori weiter bis Zulu. Wir haben kulturverbindende Elemente wie Lieder und eine Schrift erfunden. Dazu kommen archäologische Funde, die all das belegen, und wir haben Menschen erfunden, die in ihren Biografien von dieser Kultur berichten. Nicht zuletzt haben wir auch eine These zur Gesellschaftsstruktur der Nienetwil-Kultur erfunden, die der Utopie – quasi als nährender Boden – beim Wachsen helfen soll. Es ist also alles da, was es braucht.

Wenn wir uns nun also darauf einigen, dass wir diese Vergangenheit weiter ausbauen wollen und sie in die bereits bestehenden Erinnerungen integrieren, wird sie, ebenso wie diese, das Jetzt und das Morgen beeinflussen. Sie wird also zu einem wichtigen Faktor beim Handeln im Jetzt.

Denken wir die Zukunft der Nienetwil-Kultur und ihren Einfluss auf die Menschheit weiter, so ist unschwer zu erkennen, dass wir damit ganz automatisch auch die Zukunft mitgestalten und so der Utopie von Nienetwil etwas näherbringen.

Betrachten wir den Einfluss der Utopie auf eine Gesellschaft in der Zukunft, die uns Gene Roddenberry mit «Star Trek» hinterlassen hat, und wie stark diese die Menschheit in den letzten sechzig Jahren in politischer, technischer und kultureller Weise prägte, so können wir uns doch ein klares Bild machen, was tatsächlich möglich wäre.

Wir haben nun also unsere Gedankengänge dargelegt, und es versteht sich von selbst, dass wir jeden einzelnen Satz davon mit seinen ganzen Zusammenhängen weiter ausführen könnten. Doch vorerst soll dieser kurze Aufsatz reichen. Zwei Seiten, wie versprochen.

Wir möchten nun den Vorschlag machen, die visionäre Vergangenheit, Nienetwil, zu einer realen Grösse zu machen, es zumindest versuchsweise annehmen und in seiner Wirkung zu beobachten. Was haben wir zu verlieren? Wir können es als Wissenschaftsprojekt, als Kunstprojekt, als Gesellschaftsprojekt betrachten, wir können klein oder gross anfangen. Wir können anfangen, uns mit den Menschen dieser Welt zu verbinden. Nicht einfach mit einem Like, sondern mit einem echten «Ich grüsse dich!».

Machen wir Nienetwil zu einem Teil von uns, dann werden wir zu einem Teil von Nienetwil.

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UTOPIE ON TWO PAGES

We strongly believe that it will be possible for man to live in peace one day. Cultures are respected and people neither exploit themselves, each other, animals, things and especially not the planet, treat, treat, hurt or even kill themselves.

Let me explain on two pages we would like to tackle this.

We can’t turn people into another overnight, because: People don’t exist. There is only humanity and individuals in it. Individuals live in real or virtual groups in which rules are considered to accept and implement the individuals as moral, religious or legal, i.e. cultural, constants.

Historical memory is also one of these constants. In this, the memory of his past is prepared for the collective. This happens again and again and is always politically and religiously instrumentalized. Whether in ancient Egypt, with the Greeks and Romans, in the Chinese empires, the Maya and Aztecs, the tribes of North America or Africa, it is everywhere that it is not the past a constant, but only that it is remembered in a certain way.

But what about the past itself? History itself is not a constant. Neither is the present or future. All three are at best constantly fluctuating, blurred, torn, real or unreal. Less than 20% of all testimony in police interrogations is reliable, and interviews with war veterans show that their memories have little to do with real events anymore and the pictures from news and feature films superimpose their own memories.

The remembered past can therefore be defined as a construct of our imagination. However, this does not apply to the events that have occurred in the past. Holocaust, Hiroshima, the injustice of slavery, murder and injustice of the indigenous peoples of North America, South America or Africa, the mass destructions by Stalin, Mao or Hitler and their henchmen and peoples, as well as the conquistadores, all these are events that can and took place objectively with facts. Just to put it a little strikingly, our memory is, depending on whether my grandfather was a cowboy or an Indian, another.

Thus, the past is perceived differently by individuals and groups at all times depending on their cultural, political or religious character, since it has been and will be instrumentalized politically and/or religiously, precisely at different times.

Today, lateral thinkers and Reich citizens in Germany deny the Holocaust, although it is evidenced by facts. In North America, QAnon followers deny slavery and right-wing circles still have the injustice committed against the indigenous tribes. Despite evidence to the contrary by facts, there are people who not only simply built in religious zeal, but on pseudo facts claim that the earth is only a few thousand years old and their God created it in just seven days.

What should a future look like that is built on such a past? In front of us we look at a past like a mirage in the desert. She shimmers blurredly back and forth in front of us and teases us with reflections of distant events. Behind us, and not recognizable, lies a future of which we can only guess as much as it is possible for us to turn our heads. Something is happening in the corners of the eyes that fills our brains, just like someone who walks anxiously through the forest, with all the fears or hopes that it wants to interpret in this huschen.

The injustice that happens tomorrow will be the injustice that we must justify or repress the day after tomorrow. So wouldn’t it be better to leave it easy? That would be it, but something stands in the way of it that we cannot influence: that now. The one that is happening right now and at this moment. It cannot be influenced, because it is controlled by the cause and effect of yesterday and tomorrow.

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It gives the impression that there is no way out and that we are all going into disaster. Is that it?

We don’t believe. We believe there is a way out and the way out is «visionary past».

Let’s say we could agree on the above statements about the past, present and future, and assume that they trust their own logic, then this thought game will surely convince you.

«Visionary past» is the framework on which we want to build the utopia of a peaceful humanity that respects. A humanity in which no distinction is made between man and woman, black and white, or man and non-human. A humanity, not a society, because a society is always defined by exterminality and inclusion. However, this utopia defines the opposite. Nothing is excluded, everything is included. She’s nowhere and everywhere. The utopia is called Nienetwil.

In order to build this framework of a «visionary past», we have adapted our past just as it has been commonplace for decades of thousands. We simply invented something about it that gives legitimacy to our utopia. We invented an element that connects all peoples and cultures. Something we all have in common, that is in each and every one of us and has always wanted to get out. We invented the Nienetwil culture. A culture based on the Homo Nienetwilensis related to Homo Sapiens. We invented a language based on the languages of the world. From Armenian, Basque, Cree, via Indo-European, Maori on to Zulu. We invented culturally connecting elements such as songs and or writing. Archaeological finds that prove all this, and we invented people who report on this culture in their biographies. Last but not least, we have also invented a thesis on the social structure of the Nienetwil culture, which is supposed to help utopia as a nourishing soil, to grow. So everything it needs is there.

So if we now agree that we want to further expand this past and integrate it into the existing memories, it will influence the now and tomorrow, just like these. It thus becomes an important factor in the action in the now.

If we think ahead about the future of Nienetwil culture and its influence on humanity, it is easy to see that we automatically help shape the future and thus bring something closer to the utopia of Nienetwil.

If we look at the influence of utopia on a society in the future that Gene Roddenberry left us with «Star Trek», and how strongly it has shaped humanity in the last sixty years in a political, technical, and cultural way, we can still get a clear picture of what would actually be possible.

So we have now outlined our thought processes, and it goes without saying that we could elaborate on every single sentence of it with all its contexts. But for the time being, this short essay should suffice. Two sides, as promised.

We would now like to make the proposal to make the visionary past, Nienetwil, a real great, at least to accept it experimentally and to observe its effect. What do we have to lose? We can regard it as a science project, as an art project, as a social project, we can start small or large. We can start connecting with the people of this world. Not just with a «Like», but with a real «I greet you!»

If we make Nienetwil a part of us, then we become a part of Nienetwil.

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