Brief an Jérôme und Andrea

Ihr habt mir einen Brief geschickt. Darin stand: «LGBTIQ-Ideologie bricht über die Schweiz herein». Wirklich? Interessant!

Aber die Information ist nicht neu, tatsächlich hörte ich vor Kurzem, dass die LGBTIQ-Ideologie über Deutschland hereinbricht. Jedenfalls warnte die rechtsnationale AFD.

Auch Österreichs FPÖ berichtete in denselben Worten.

Putins Appendix vermiformis Victor Orban liess gar ein Gesetz schreiben, das jede Handlung, die das christliche Geschlechterbild in Gefahr bringen könnte, unter Strafe stellt. Er verbietet damit quasi bereits die Erwähnung von Schwulen, Lesben und Transmenschen (wofür all die anderen Buchstaben stehen, weiss ich leider nicht).

Auch Putin selber, wie die meisten Diktatoren, geht mit harter Hand gegen diese «Unterwanderung», wie ihr und er es nennt, vor. Und Jair Bolsonaro, ihr wisst schon, der egozentrische, etwas geisteskranke Trump-Imitator in Brasilien, dieser also, liess tatsächlich Schwule einsperren und «zwangsbekehren». Aber was red ich da, das wisst ihr ja alles selber. Ihr seid ja alle gut vernetzt miteinander. Christkatholische, evangelische und rechtsnationale Denkverweigerer und Querdenker und deren ganzes rechtsnationales verfilztes Igittigitt, das von denen und euch da mitschleppt wird. Es sind ja schliesslich alles Menschen mit rechter Gesinnung.

Aber ich verstehe euch, ja wirklich, ihr habt ja auch allen Grund dazu! Wo sich doch in euren Tempeln die Priester en masse der gleichgeschlechtlichen Liebe ebenso hingeben wie zur Liebe zu Kindern, und darob das Wort eures Gottes vergessen. Pfarrerinnen outen sich als Lesben, und dabei hat die eine im Religionsunterricht noch zu den Kindern gesprochen.

Eine Schande ist das, jawohl. Das muss man verhindern und hart in sie eindringen, um ganz deutlich zu machen, dass es so nicht geht. Das gilt natürlich für Priester wie für Nonnen. Pfui! Ich stelle mir grad vor, wie sie ….

Nun, ich will eure Geduld nicht überstrapazieren. Ihr leistet Grosses, und Putin, Bolsonaro, Orban und das ganze Bollwerk gegen den «Gesellschaftszerfall» werden es euch danken.

Aber bevor ich ende, möchte ich doch noch einige Fragen stellen. «Eine Welle der LGBTIQ-Ideologie bricht über die Schweiz herein und erfasst immer sichtbarer Teile der Wirtschaft und der Jugendverbände.» What? Wirtschaft und Jugendverbände? Ogottogott! Aber immerhin sind sie noch nicht über die Bildung und Forschung oder gar die Politik hereingebrochen! Wär ja noch schöner! Stelle man sich eine*n Transgendermenschen bei der Vereidigung beim Nationalrat vor! Wie soll man ihn*Sie ansprechen? Und was für eine Politik sollte das werden von jemandem, der sich offensichtlich nicht entscheiden kann?

Ja, das macht ihr richtig, dass ihr da dagegen seid! Auf den Rechtskonservatismus kann man sich eben verlassen!

Und dann, das finde ich ja wunderbar, zitiert ihr auch das Buch der Heiligen Gabriele Kuby! Dieser katholischen Menschenfreundin, die, wie es sich gehört, munter gegen Demokratie, für Putin, gegen Schwule und Lesben und sowieso gegen das ganze Gegendere und akatholische Gemauschel der Linken wettert. Was würden wir nur ohne euch tun!

Aber am besten ist, dass ihr aufdeckt «… Völlig inakzeptabel sind die öffentlichen Stellungnahmen der UBS-Verantwortlichen, welche diese unwissenschaftliche Sexualideologie unterstützen und unternehmensintern durchsetzen wollen. Die Aussagen der Unternehmensspitze haben das Potential, das Vertrauen vieler Kunden in die Grossbank nachhaltig zu erschüttern.»

Da habt ihr natürlich völlig recht, wenn ihr schreibt, dass man gegebenenfalls – ich nehme an, ihr meint, wenn man UBS-Aktien besitzt – den Bankberater kontaktieren soll.

Da Frauen und Schwule und andere unerwünschte Personen sowieso keine Bankkonten haben sollten, wird das der UBS aber wohl nicht schaden. Oder? Müsste man die Bank nicht viel besser schliessen? Und die Swiss? Die Kantonalbanken? Ja den ganzen verdammten Bundesapparat, der solches ja schon seit Längerem in seinen gottlosen Schriften verbreitet?

 

Aber ihr wisst das sicher besser als ich. Macht also so weiter.

Dass ihr auch aufgedeckt habt, dass am Bundeslager der Pfadi doch tatsächlich über das Thema LGBTIQ gesprochen wurde, rechne ich euch hoch an. Nicht nur, dass ich jetzt weiss, dass es sogar da Schwule und Lesben gibt und sich wahrscheinlich gar der oder die eine oder andere Transgender unter der Uniform versteckt. Das Ganze wird auch noch im Tagesprogramm veröffentlicht!

 

Nun, Herr Jérôme Schwyzer und Frau Andrea Geissbühler, ich kann nur sagen: Ich bin stolz auf Sie! Sie haben es in Ihrem Schreiben doch tatsächlich geschafft, dass ich mich wieder der guten alten Werte der Schweiz erinnere. Sachen wie:

«Das Schweizervolk und die Kantone, in der Verantwortung gegenüber der Schöpfung, im Bestreben, den Bund zu erneuern, um Freiheit und Demokratie, Unabhängigkeit und Frieden in Solidarität und Offenheit gegenüber der Welt zu stärken, im Willen, in gegenseitiger Rücksichtnahme und Achtung ihre Vielfalt in der Ein­heit zu leben, im Bewusstsein der gemeinsamen Errungenschaften und der Verantwortung gegen­über den künftigen Generationen, gewiss, dass frei nur ist, wer seine Freiheit gebraucht, und dass die Stärke des Vol­kes sich misst am Wohl der Schwachen.»

Echter Schweizer Scheiss halt. Gut und cool!

 

HIER ÜBRIGENS DER BRIEF DER BEIDEN: PDF