Kywxtry ist ein Planet weit genug von der Erde entfernt, dass er nicht fürchten muss plötzlich japanische, amerikanische oder gar russische Touristen beherbergen zu müssen, aber gerade nah genug, dass ich mir ab und zu einen kleinen Ausflug erlauben kann.
Nun bin ich nicht der Freund von Geschichten über Ferien und Ausflüge und dieses ganze facebook Geposte von Leuten in den Ferien finde ich schlicht unerträglich.
Dass ich aber von meinem letzten Ausflug nach Kywxtry erzähle, hat seinen Grund – es ist wichtig! Wichtig für die Menschen zu wissen was ich gesehen habe, denn es kann – und wird wahrscheinlich – in einiger Zeit direkten Einfluss auf die Erde haben.
Die Bevölkerung von Kywxtry nennen sich selber Kywy. Das heisst so viel wie Mensch und ist in etwa ebenso fantasievoll gewählt wie bei uns. Die Kywy kommen jedoch etwas weniger matschig, feuchtelnd und staksig daher wie die Menschen. Sie bestehen alle aus einer Unzahl klitzekleiner, selbstagierender, miteinander in Verbindung stehender Kristalle, die sich je nach Bedarf in eine fast unbegrenzte Zahl von Formen wandeln können. Die Kommunikation der Kristalle funktioniert, soweit ich das verstanden habe, über Schwingungen, und auch die Kywy verständigen sich über Schallwellen. Das hört sich etwas an wie Singen oder Summen. Sehr obertonlastig, aber wunderschön. So lange sie gut aufgelegt sind. Nicht dass sie Emotionen hätten, aber Störendes wird mit lauten und sehr unangenehm hohen Tönen so lange attackiert, bis es, wie die Mauern von Jericho, einfach zerspringt.

Als ich nun das letzte Mal meine Freunde auf Kywxtry besuchte, war die Luft erfüllt von hektischem Gepiepe, Gesinge und Gesumme. Meine Freunde erzählten mir, dass Bywlon Mgwy, ihr gewählter König, die Absicht geäussert hat mir auf der Erde einen Gegenbesuch zu machen und dabei auch den König der Erde zu beehren.
In den letzten vierundvierzigeinhalbtausend Jahren hat nie mehr ein Kywy den Planeten verlassen. Man fand, dass es nichts brachte und zu viel Ressourcen verschlinge. Und so hat man die Raumfahrt eingestellt.
Ich war gelinde gesagt geschockt. Mgwy Besuch würde verdammt kein gutes Ende nehmen. Also musste ich den König besuchen und ihm abraten. Ihre Hoheit, Volksglitzerer und Erstsprech, König Bywlon Mgwy weilte im Thronsaal, wie immer um diese Zeit. Ich wartete ab, bis er mit allen Bittstellenden, Ratsuchenden und Straftätigen fertig war, und warf ihm dann eine Tüte Kandiszucker zu. Hoheit liebt Kandiszucker!
«Mein irdischer Freund, was führt dich in meinen kleinen Palast?»
«Weisschimmernde Hoheit, wie ich vernehmen konnte, gedenkt Ihr die Erde zu besuchen.»
«Das ist wahr. Ich möchte, dass du mir die Erde zeigst und mich dem König vorstellst.»
«Oh, Ihre Steinheit, das geht nicht. Unmöglich ist das. Versteht doch, die Menschen haben keinen König.»
«Kein König? Und wer regiert sie dann?»
«Oh, die Menschen sind nicht wie ihr. Sie haben Staaten gebildet. Kleinere und grössere Gebiete auf der Erde, in denen nur Bürgerinnen und Bürger dieses Staates leben dürfen. In fast jedem Staat wird eine andere Sprache gesprochen und gibt es eine andere Regierungsform. In manchen Staaten regieren Könige und in anderen Diktatoren. Wieder andere werden vom Volk selbst regiert oder von einer Kaste, die vorgibt für das Volk zu regieren.
All dies gibt es. Und weil die Staaten so verschieden sind, sind sie einander voller Misstrauen. Sie führen Kriege mit Waffen gegeneinander, und Handelskriege und Informationskriege. Fremden gegenüber sind sie nur dann nicht ganz so misstrauisch, wenn diese mit Geld kommen und für die Gastfreundschaft der dortigen Menschen bezahlen. Kommt man aber zum Beispiel als Flüchtling wegen eines Krieges, so ist man heutzutage arm dran, denn da ist es aus mit der Gastfreundschaft. Ihr, ehrwürdige Verquarzung, seid den Menschen so fremd, dass es schwer sein wird, keinen Krieg anzuzetteln, wenn man euch willkommen hiesse.»
«Oh, das ist ja furchtbar! Weshalb habt ihr denn so ein Durcheinander?»
«Es hat sich wohl so ergeben, Hoheit. Hat mit unserer Vergangenheit zu tun. So wie die Kywys aus einzelnen kleinen Quarzen entstanden sind, so sind wir aus organischen Frühformen entstanden. Da wir, im Gegensatz zu euch, Nahrung benötigen, hat es um diese von Beginn weg Kämpfe gegeben. Man kämpfte um einen anderen zu fressen oder nicht gefressen zu werden. Man kämpfte um die vorhandenen Nahrungsmittel und den Boden auf dem sie wuchsen. So lernte der Mensch nie etwas anderes als das Kämpfen und Misstrauen gegen alle anderen, die ihm sein Futter wegfressen oder seinen Boden bewirtschaften könnten.»
«Ihr armen Menschen. Das wusste ich nicht, aber wenn das so ist, will ich dir die Sorgen ersparen und werde auf den Besuch verzichten. Vorerst jedenfalls.»
Ich konnte meinen Aufenthalt dieses Mal nicht wirklich geniessen, und so flog ich bald wieder ab. Aber mich drückt noch immer die Sorge, ob es sich der König nicht anders überlegen könnte.
Deshalb ist es wichtig, dass ich euch davon erzähle. Wir müssen uns vorbereiten. Wenn wir nicht lernen, das Fremde als Chance anzunehmen, unsere Ressourcen sinnvoller zu verwalten und zu nutzen, wenn wir nicht endlich Frieden schliessen und all den kitschigen Scheiss tun, den Menschen sonst nur in wirklich schlechten amerikanischen Filmen ganz am Ende machen, dann wird der Besuch König Bywlon Mgwys ein riesen Desaster auslösen!