Gerade fotografierte ich die Schnipsel eines Liedtextes. Sie waren an den Stössen von Wandbrettern angeleimt, damit da kein Wind durchpfeift.
Da seh ich auf einem Blatt «Deus» stehen und denke, dass die Christen das ja recht entspannt sehen mit den Huldigungen ihres Gottes. Wehe, einer mag ihn nicht so huldigen, wie es der Papst oder Luther vorgegeben haben. Rübe weg! Verbrennt ihn! Aber die Huldigung selber darf man offensichtlich zum Isolieren nehmen.
Ich finde das doch recht eigenartig, denn wenn ich denke, dass die Christen ja glauben, dass ihr Gott alles sieht und hört, dann käme ich mir doch irgendwie etwas seltsam vor, wenn ich so eine Huldigung zerreissen und über irgendeine Ritze kleben würde.
Ob das Juden oder Muslime ähnlich sehen wie die Christen, weiss ich ja nicht, aber da sie dasselbe befremdliche Glaubenssystem haben, dürfte das ja wohl der Fall sein.
Das Konzept des Glaubens ist mir völlig fremd. Ich habe es nie verstanden, und je älter ich werde, desto seltsamer mutet es an. Entweder man weiss etwas, oder man weiss es nicht. Wenn man es weiss, braucht man es nicht «Glauben» zu nennen, und schon gar nicht «Glaubenssystem». Wenn man es nicht weiss, ist es dasselbe. Wenn ich nicht weiss, was hinter einem Hügel liegt, dann nützt es mir nichts, wenn ich glaube, dass dort die nächste Tankstelle liegt, und, wenn ich dann festgestellt habe, dass es nur eine Kuhweide ist und ich kein Benzin mehr habe, mir dann umständliche Glaubenssätze und Dogmen zurechtwurstle, um diese missliche Situation zu erklären.
Nun, meinetwegen kann jede und jeder glauben, was sie oder er will. Immerhin gibt es auch Leute, die glauben, dass Elvis noch lebt. Dass man sich aber deswegen bis auf den heutigen Tag den Kopf einschlägt …
Also, ich werde den Schnipsel nun in ein Tütchen legen, es anschreiben in eine Schublade legen. In die Fund-Liste werde ich eintragen: «Notenblatt-Schnipsel einer Huldigung desjenigen, den die Christen Deus nennen.»