Werni Meyer, vielen bekannt als früherer Techniker des Kleintheaters Luzern, und oft auf den Bühnen der Luzerner Spielleute gesehen. Der heute pensionierte Schreiner und Kulturtäter aus Hochdorf schrieb diese kurze Geschichte aus Äthiopien vor einiger Zeit und schickte sie uns zur allgemeinen Erbauung.
Wunderbar!
Esel, Ziege, Hund
In Äthiopien fallen jedem Reisenden gleich die unzähligen Esel auf, die sich ganz gelassen auf den Strassen aufhalten und sich trotz des chaotischen Verkehrs wohlfühlen. Der Hund rennt hinter jedem Wagen her, die Ziege aber springt weit weg, wenn sie einen solchen sieht. Auf dieses Verhalten angesprochen, erzählte uns der Führer die folgende Geschichte.
Vor einiger Zeit fuhr ein Esel im Bus von Sibiat nach Lalibella und bezahlte beim Einsteigen mit einer Fünfziger- und einer Zehnernote die sechzig Birr, die damals für die Fahrt verlangt wurden. Eine Ziege, welche schon Platz genommen hatte, wollte den Fahrpreis bei der Ankunft von ihrer Tante bezahlen lassen. Der Hund, der jetzt noch einstieg, gab dem Fahrer einen Hunderterschein. Dieser hatte aber kein Wechselgeld, versprach aber, ihm die vierzig Birr vom Fahrgeld der Ziege zu geben. Damit waren alle zufrieden und nach kaum einer Stunde erreichte man die Stadt.
Jedoch war die Türe kaum halb geöffnet, sprang die Ziege mit grossen Sätzen aus dem Wagen und war bald im Gewusel der dort Wartenden verschwunden. Der Hund rannte hinter der Verruchten her, während der Esel bedächtig auf die Strasse trat und dort in Gedanken versunken stehen blieb. Nachdem einige Leute eingestiegen waren, fuhr der Bus weiter, und als der Hund auf den Platz zurückkam, sah er nur noch dessen Staubwolke. Um seine vierzig Birr betrogen, rannte der wütende Kläffer eine lange Zeit erfolglos hinterher.
Und darum rennt der Hund noch heute jedem Auto nach, um den Fahrer zu finden, der ihn damals betrogen hatte. Die Ziege flieht vor allem weg, weil sie sich fürchtet, irgendwann doch noch erwischt zu werden, und nur der Esel steht mit seinem guten Gewissen ruhig da, zufrieden mit der Welt und seinem Geschick.