Aufgabe des Kantonsmuseum Luzern ist es auch, kulturelle Leistungen (oder Fehlleistungen) zu dokumentieren. Dies tun wir mit folgendem Exponat und den dazugehörenden Begleitmaterialien.
Wir weisen darauf hin, dass das Kantonsmuseum immer nur die Geschichte dokumentieren kann die bekannt ist. Neue Fakten werden so schnell wie möglich den bisherigen hinzugefügt und die Geschichtsinterpretation entsprechend angepasst.
Inhalt:
Beschreibung Objekt LB-001_074:
Grund der Aufnahme in die Sammlung
Bild des ausgestopften Exponate
Tatortbericht des Kriminaltechnischen Dienstes
Beschreibung zu Objekt 074:
Ausgestopftes Coop Noëlini-Giveaway, das am 22. Dezember 2018 auf einer Pappschachtel liegend und von einer Büroheftklammer erstochen tot aufgefunden wurde. (Bis 23.12.2018, 13.05 Uhr ging man noch von einem Selbstmord aus. Nachdem jedoch der Bericht des Kriminaltechnischen Dienstes der Kantonspolizei Luzern auftauchte, geht man von Mord aus.
Grund der Aufnahme in die Sammlung:
Das Objekt vermittelt den ausartenden Wettbewerb zwischen Coop und Migros in ausgezeichneter Weise. Die abscheulichen Zuchtversuche von Noëlinis durch Coop und die Verharmlosung des (zu diesem Zeitpunkt noch angenommenen Selbstmordes) des Coop Noëlini-Giveaway am 22.12.2018 durch den Chef von Coop, der den Vorfall als «Einzelereignis» bezeichnete und jede Mitschuld von Coop abstritt, zeigen deutlich die Wettbewerbsstimmung in der Schweiz zu Beginn des 21. Jahrhunderts, in dem jegliche ethische Prinzipien über Bord geworfen wurden.
Randbemerkung:
Die chinesische Klon- und Plastikindustrie haben sich zusammengeschlossen und mit dieser Hightech-Plastik-Klon-Zucht etwas bis dahin nicht Dagewesenes geschaffen.
Leider führt das nicht nur zu geradezu absurden ethischen Problemen, sondern auch zu noch grösserer Plastikverschwendung. Der chinesische Hersteller indes verteidigt sich: «Indem wir Plastik lebendig machen, verhindern wir, dass er weggeworfen wird, und tragen so zu einer besseren Umwelt bei!»
Begleitmaterialien:
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- Foto Exponat
- Tatort-Foto
- Abschiedsbrief
- Gegendarstellung Coop
- Tatortbericht der Kantonspolizei Luzern
- Geständnis «Eli»
Bild des ausgestopften Exponates:
Tatortfoto:
Abschiedsbrief, am Tatort durch die Kantonspolizei Luzern sichergestellt am 23.12.2018
Welt, ich sage adieu!
Ich bin erfasst von Ekel und Zorn über meine Existenz. Wieso wurde ich geschaffen? Zu welchem anderen Zweck als nur zu sein, um ein kurzes freudloses Leben zu führen und danach achtlos weggeworfen zu werden?
Niemand liebte mich wirklich. Niemand wollte mich wirklich. Ich bin Müll! Nutzlos und jeder sinnvollen Existenz von Vornherein beraubt.
Mögen meine Schöpfer in der Hölle schmoren!
Gegendarstellung Coop
Coop bedauert sehr den tragischen Selbstmord des Noëlini-Giveaways. Wir möchten jedoch darauf hinweisen, dass wir jede Schuld daran zurückweisen.
Die im Abschiedsbrief gemachten Anschuldigungen können wir so nicht stehen lassen. Es ist unser grösstes Ziel, den Menschen Freude zu bereiten und sie in der Handhabung mit Plastik zu unterstützen. Unsere chinesischen Partner haben mit Bedacht gehandelt und es gibt unsererseits keine Zweifel, dass die durch unabhängige Institute vorgenommenen Kontrollen der Aufzucht der Noëlini-Giveaways nicht korrekt wären.
Coop bedauert zudem die reisserischen Presseberichte, die lediglich zum Ziel haben, den Absatz zu steigern. Sie dienen weder der Aufklärung noch der Richtigstellung der Fakten.
Coop Pressestelle, 23.12.2018
Tatortbericht des Kriminaltechnischen Dienstes der Kantonspolizei Luzern
Tatortbericht, Kriminaltechnischer Dienst, Kantonspolizei Luzern
- Dezember 2018, 09.45
Am 23. Dezember 2018 trafen die Beamten H.R. und K.L. nach einem anonymen Hinweis um 09.45 Uhr an der XXXXX XX ein. Aufgrund der sich bietenden Situation wurde sofort der Kriminaltechnische Dienst herbeigerufen, der sich im Weiteren um die Aufnahme des Tatorts kümmerte.
Bericht:
Die Leiche eines Noëlini-Giveaways lag in der Mitte eines alten und gebrauchten Paketdeckels in einer Blutlache. Aus seinem Bauch ragte eine Büroklammer. Blut wurde zudem im Gesicht sowie auf der Oberseite des Kopfes festgestellt.
Nach Untersuchung des Leichnams und des Tatorts kommen wir zu folgendem klarem Schluss: Das Noëlini-Giveaway ist erst erschlagen worden und wurde dann erstochen!
Folgende Indizien führen unzweifelhaft zu dieser Schlussfolgerung:
- Die blutende Wunde am Kopf hätte nicht nach einem Selbstmord erfolgen können, denn wie hätte das Blut dahinkommen sollen?
- Das Noëlini-Giveaway hat gar keine Arme, um die Büroklammer halten und sich erstechen zu können.
- Der Abschiedsbrief ist in deutscher Sprache verfasst. E scheint unglaubwürdig, dass das Noëlini-Giveaway in der kurzer Zeit zwischen seiner Produktion und dem Ableben die deutsche Rechtschreibung erlernt haben soll, zumal es in China aufgewachsen ist.
- Am Tatort wurden Fussspuren eines Plüschwichtels gefunden. Die Spur wurde durch Blutanhaftung am Fuss verursacht. Der Kriminaltechnische Dienst verglich diese mit den Füssen von Plüschwichteln in der Migros und kommt zum klaren Schluss, dass der Abdruck von einem «Finn» stammen muss. Ob dieser der Mörder war oder sich später am Tatort aufgehalten hat und dabei in die Blutlache getreten ist, kann nicht festgestellt werden. Sicher ist, dass das Blut zu diesem Zeitpunkt noch nicht geronnen war.
Der Kriminaltechnische Dienst übergibt sein gesamtes Material der Staatsanwaltschaft.
J.F., Oberstleutnant
Einvernahmeprotokoll vom 23.12.2018
Das Verhör führte: Kommandant G.H., Kriminalpolizei Kanton Luzern
Das Protokoll führte: R.Z.
Der Verdächtige: Plüschwichtel «Eli»
Beginn des Verhörs, 23.12.2018, 22.55 Uhr, Raum 8, KP Luzern
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G.H.: Wieso haben Sie sich gestellt!
Eli: Ich bin schuldig. Ich habe Noël umgebracht.
G.H.: Wieso haben Sie das getan?
Noël: Wir haben uns geliebt! Wir beide, sie und ich, liebten uns. Sie war das Einzige im Leben, das mir etwas bedeutet hat!
G.H.: Und dann töten Sie sie?
Eli: Ich musste doch! Sie wollte es so! Was war denn das für ein scheiss Leben, hä? Möchten Sie so leben? Als Klon aufwachsen. Immer in diesem scheiss Plastikbeutel, mit Hunderttausenden anderen, die genau gleich sind. Absolut gleich! Und alle haben sie überhaupt keine Perspektive. Sie wissen, dass, kaum kommen sie aus der Kiste, werden sie irgendeinem arglosen Menschen in die Hand gedrückt, der schmeisst sie in die Einkaufstasche, und zu Hause wird man einfach weggeworfen. Niemand fragt, wie es dir geht oder ob du etwas brauchst. Niemand fragt dich nach deinen Lebenswünschen. Niemand, verdammt!
G.H.: Ich verstehe immer noch nicht, wieso Sie sie erstochen haben. Wäre es Mitleid gewesen, hätte man das doch sanfter gemacht.
Eli: Sie wollte es so. Sie wollte, dass wir es wie einen Selbstmord, wie Harakiri aussehen lassen. Später wollte ich mich ebenfalls umbringen. So wären Coop und Migros drangekommen. Diese Misthunde hätten es verdient!
G.H.: Sie konnten es nicht?
Eli: Was?
G.H.: Sich umbringen.
Eli: Nein, ich konnte nicht. Ich bin ein feiges Stück Dreck!
G.H.: Nana, es ist doch besser, wenn Sie leben!
Eli: Und wozu? Was ist denn aus dem Weihnachtsschund der letzten Jahre geworden, hä? Wo liegt der bei Ihnen zu Hause?
G.H.: Äh, ich weiss nicht recht, meine Frau räumt immer hinter den Kindern her.
Eli: Ja, ich kann Ihnen sagen, wo das alles geblieben ist: im M Ü L L!
G.H.: Vielleicht ja, aber Sie lenken vom Thema ab. Sie haben diese Noël – war das ihr Name? – also erst erschlagen und dann erstochen.
Eli: Ja, sie hat sich umgedreht und da habe ich sie mit einer wieder aufladbaren Batterie auf den Schädel gehauen. Als sie dann ohnmächtig war, habe ich die Büroklammer genommen und sie erstochen.
G.H.: Nun, gut, es tut mir leid für Sie. Ich muss Sie jetzt festnehmen. Sie werden angeklagt, das Coop Noëlini-Giveaway «Noël» erschlagen und anschliessend erstochen zu haben.
Eli: Ich bereue nichts. Noël ist tot! Coop und Migros und Aldi und Lidl und all die anderen Geldgeilen, Profit- und Wachstumsgierigen haben Noël umgebracht! Und die Menschen? Die Kundinnen? Sie haben Noël ebenfalls getötet! Mit ihrem falschen Kitsch statt ehrlichen Gefühlen. Alles muss hübsch glänzen, gell? Alles muss nett sein, ja nett! Scheiss nett muss alles sein. Und man blendet schön aus, dass man das ganze Jahr die Flüchtlinge im Meer hat ersaufen lassen. Und man blendet aus, dass man die Zukunft der Kinder mit scheiss Plastik zumüllt, den man ihnen zuvor – und ist das nicht ein Hohn? – schenkt, verdammt noch mal!
Ihr Menschen seid Heuchler. Ihr erschafft uns zu nichts anderem als zu einem einzigen Zweck: um von eurer Schuld abzulenken. Und, weil ihr wirklich abgrundtief dumm seid, macht ihr euch gerade damit noch mehr schuldig. Ah, bringen Sie mich weg! Bringen Sie mich bloss weg hier!
Ende Protokoll. 23.12.2018, R.Z. Sign. PF:
Zum PDF des Einvernahmeprotokolles klicke hier