Draussen entreisst der Nebel die Welt dem Auge. Sie ist noch da, jedenfalls ist das zu vermuten, doch wir sehen sie nicht mehr. Schaue ich aus dem Fenster des Büros hinüber, dorthin, wo sonst der Kirchturm die Zeit anzeigt, ist nichts.
Zeit also, über Sein oder Nichtsein zu reden!
Behauptung: Ich sehe den Kirchturm nicht mehr, also ist er nicht mehr da. Ginge ich hinaus, zu dem dort vermuteten Kirchturm, und sähe ich diesen, dann wäre das nicht der Kirchturm, den ich zuvor nicht gesehen habe. Denn mein zuvor nicht gesehener Kirchturm hatte, als ich ihn noch gesehen habe, ein Zifferblatt, das die Zeit anzeigte. Dieser nun vor mir stehende Turm hat das nicht, jedenfalls sehe ich nichts davon, weil der Nebel so dicht ist.
Ihr seid noch bei mir?
Berichtete mir also jemand, dass es nun vierzehnuhrzweiundzwanzig sei, dann wäre das nichts als eine für mich nicht nachvollziehbare Behauptung, denn ich kann sie ja wegen des verschwundenen Kirchturms und der darauf befindlichen, nun nicht mehr existenten Uhr nicht verifizieren.
Was kann man da tun?
Vertrauen. Ja, mehr bleibt uns nicht. Wir müssen vertrauen, dass die Angabe zur Zeit, die uns da jemand macht, richtig ist, denn wir können sie nicht nachprüfen. Leichter ist es, wenn zehn oder hundert andere ebenfalls eine Zeitangabe machen, die sich mit der der anderen deckt. Dann fällt das Vertrauen leichter. Aber ist es wahr? Wie viele Menschen erzählen uns tagein, tagaus dies oder jenes, und nicht selten wird das von Hunderten anderen ebenfalls behauptet, und es stellt sich dann als falsch heraus?
Shit! Wir können ja nicht dauernd nachprüfen gehen, ob das, was uns da erzählt wird, wirklich wahr ist. Wie soll das gehen? Soll ich extra nach Amerika reisen, nur um nachzuprüfen, ob es stimmt, was Donald und all die Tausend anderen sagen, nämlich, dass sie dort das sauberste Wasser und die reinste Luft hätten? Oder muss ich selber nach Syrien oder Moskau, Hongkong oder Chile, um nachzuprüfen, ob das, was ich in den Nachrichten sehe, stimmt? Na leck mich doch an meinem Allerwertesten! Als ob ich die Zeit für diesen Scheiss hätte!
Also glaube ich nichts mehr oder kümmere mich einfach nicht mehr darum? Aber es nagt dann ja doch an einem, wenn man hört, dass die Wissenschaftler gelogen hätten und es bewiesen sei, dass Gott die Erde in sieben Tagen erschuf … – und zwar als Scheibe. Soll man das jetzt glauben oder nicht? Immerhin könnte es Konsequenzen haben, wenn ich plötzlich über den Rand der Erde falle.
Hmm, eine Instanz sollte man haben. Ja, eine Instanz. Jemand, dem man vertrauen kann. Jemand wie Léon Huber oder Commander Spock. Jemand, «der die Wahrheit sagt». Oder ein richtiger Wissenschaftler, wie Galileo Galilei – andererseits hat der auch widerrufen. Nein, dann eher wie Stephen Hawking. Hab zwar kein Wort verstanden, weder akustisch noch intellektuell, was der mir erzählte, aber er schien mir doch eine ehrliche Haut.
So ein Dilemma aber auch. Ginge er doch weg, dieser Nebel, dieses Unwissen, diese Unsicherheit! Was soll man glauben, was denken?
Und zum Schluss so ganz nebenbei: Bin ich überhaupt? Denn angenommen, der Kirchturm wäre es, der existiert, und es schaute jemand vom Turm in die Richtung der Löffelburg – er würde nichts sehen! Ich wäre nicht da, und folglich meine ganzen Gedanken und all das nur Einbildung von jemand ganz anderem, der sich vorstellt, es würde mich geben.
Oh du gute Güte, ist das alles kompliziert. Sollte sich herausstellen, dass ich existiere, dann verspreche ich, dass ich mir gleich ein Philosophie-Buch kaufen werde …