Trappist 1

Trappist-1
Gerade einmal vierzig Lichtjahre von der Erde entfernt leuchtet der kleine rote Zwerg Trappist-1, der von sieben kleine Planeten umkreist wird.

Der siebente, ist der einzige auf dem man es sich einigermassen gemütlich machen kann. Seine BewohnerInnen nennen ihn liebevoll C∆ºª@}{|[] – ≠ ∆ºΩ }{©°°†ªƒ °ƒ©ƒƒ ¡°Ω}≠¿§ °ozut.[ kiuz |{{ oiuz €i®p®ø†iz0098 ], und das kann ich gut nachvollziehen, denn er ist zwar recht abstrus aber herrlich anzusehen.
Die Vegetation, die eigentlich keine Vegetation im herkömmlichen Sinne ist sondern eher wie unsere Eukaryoten, also weder zur Tier noch zur Pflanzenwelt gehörend, und damit etwa den terrestrischen Pilzen ähnlich, ist gigantisch.
Da der Planet gerade einmal 0.62Erdmassen hat ist entsprechend auch die Gravitation niedriger und dafür alles gross. Manche der «Bäume» sind an die hundertdreissig Meter hoch, und selbst die kleinsten überragen mich um ein Vielfaches.
Das ganz besondere aber an diesem Planeten ist nicht nur das Licht, die kleine rote Sonne und die sechs Begleiter von denen mindestens zwei immer wie ein Mond am Himmel zu sehen sind, sondern das Leben auf diesem Planeten. Denn es ist intelligent. Alles. Mit Ausnahme einiger einzelligen Lebensformen und Bakterien ist da alles am Denken und Plappern.

 

Landung auf T8
Der Bordcomputer weckte mich um halb vier Uhr morgens mit einem freundlichen «Aufstehen Liebling, dein Planetensystem ist da!»
Müde öffnete ich die Augen und verfluchte mich, dass ich den blöden Computer immer noch auf Werkeinstellung hatte.
«Flieg uns in einen Orbit um T8 und lass mich schlafen» motzte ich den unschuldigen Rechner an, drehte mich um und schlief weiter.
Mit einem Kaffee in der Hand sass ich im Achterdeck vor dem Aussichtsfenster und schaute zu diesem farbigen Etwas hinüber. Der Planet sah aus wie ein LSD-Trip. Die Atmosphäre war rosa und darunter flagellierten die unglaublichsten Farben meine Augen.
Ich suchte auf der Oberfläche nach etwas was wie eine Zivilisation aussah, konnte aber nichts sehen. War eh nur ein dummer Versuch, denn das absolut primitive Dasein das die Menschen der westlichen Welt «Zivilisation» nennen, konnte sich auf kaum einem, von intelligentem Leben bewohnten Planeten durchsetzen.
Abgesehen davon, dass die meisten so etwas gar nicht brauchten oder wünschten, hat sich in meistens gezeigt, dass es auf Dauer nicht Zielführend ist.

Um 0900 setzte ich auf einer Art Lichtung zur Landung an, prüfte noch einmal meinen Skaphander und öffnete die Aussenluke.
Sofort übermittelte mir der Kopfhörer die Geräusche von Draussen. Ein zwitschern und Flüstern und Raunen das den ganzen Planeten einzudecken schien.

Wie es meine Art war rief ich ein lautes «Ich grüsse euch!» und wartete darauf ob ich Antwort bekam oder nicht.

 

Kontakt
Der Erstkontakt war unerwartet heftig, schmerzvoll und verwirrend.
Nebst dem Effekt, dass das Zwitschern, Summen und Raunen um den Faktor hundert lauter wurde, schien man mich auch telepathisch zu begrüssen oder abzuchecken. Genau konnte ich das nicht sagen, da ich kein Wort verstand, beziehungsweise die Vorgänge in meinem Hirn nicht mehr steuern konnte. Ich verabschiedete mich mit einem gestöhnten «Shit!» in eine Sendepause.

Als ich erwachte war es still in meinem Kopf, und auch draussen schien man sich beruhigt zu haben.
«Wir grüssen dich!» raunte eine Stimme in meinem Kopf.
Na also – Erstkontakt!

Der Philosophische Planet
Wie sich in meinen Gesprächen auf diesem Planeten herausstellte, gab es fast nur ein Thema. Philosophie. Ich erfuhr, dass man Gesprächsstoff wie Wetter, Essen, Technik, Physik oder Geschichte früher durchaus schätzte, und selbst gänzlich unwichtigen Themen wie Mode, Glaube oder Beziehungskram früher nicht abgeneigt war, diesen im Laufe der Äonen ihres Bestehens jedoch als ebendies, nämlich unwichtig, erkannte und einfach sein liess.
Das sich diese Lebensform nicht körperlich fortpflanzte war das Thema Beziehungskram das erste was wegfiel. Die Mode auf dem Fusse. Glaube und Religion hatten vor einigen hunderttausend Jahren ein kurzes Erblühen, doch das Thema zeigte sich als wenig ergiebig, denn man befand, dass es wenig logisch sei etwas zu glauben. Wo sollte das hinführen?

Die Naturwissenschaften machten für diese Lebewesen ebenfalls wenig Sinn. Zwar wurde allerlei erörtert und auch experimentiert, doch es brachte sie nicht wirklich weiter.
Die Philosophie war letztlich das einzige was ihnen Spass machte. Wenn eine Lebewesen sich weder bewegen noch mit Händen tätig werden kann, ganz auf das was das Gehirn ermöglicht beschränkt ist, dann ist die Philosophie, so ergebnislos sie letztlich ist, eine gute Wahl zum Zeitvertreib.
Jedenfalls für einige tausend Jahre. Aber dann? Die T8ler waren ausgehungert. Sie hatten sich im Kreis gedreht. Von einem «Ich denke also bin ich», «Ach wirklich, was denkst du denn?» «Das geht dich gar nichts an», «Dann lass es doch bleiben», «Die Frage ist nicht ob man denkt sondern wie man zu denken beginnt und welche Formen des Denkens, welche Rahmenbedingungen, welche Konstrukte man dem Denken auferlegt.» «Ach hör doch auf mit dem Mist. Denken ist unwichtig, die Gedanken sollen sich selber überlassen, uns zu höherem führen.» «Das nennst du Philosophie?» «Besser als dein ich denke also bin ich.» zu einem «Es ist zu bedenken, dass alles was wir sehen nur deshalb gesehen wird, weil wir die geistige Fähigkeit haben es als das zu erkennen was es ist.» «Und was ist es?» «Das weiss ich doch nicht, das was wir sehen eben. Du kannst einen Stein nur als Stein erkennen, wenn du weisst was ein Stein ist.» «Dann muss ich aber erst wissen ob ich etwas überhaupt erkenne, und ob ich dem Glauben schenken kann.» «Mach doch nicht immer alles so kompliziert.» «Ach jetzt mache ich kompliziert? Damit du erkennen kannst dass ich kompliziert bin musst du selber kompliziert sein! Ha da hast du mal!»

Kurz gesagt, es wurde ihnen irgendwann einmal fad und als ich dort ankam waren sie derart ausgehungert, dass sie mich nach philosophischen Konzepten löcherten.

Da ich jedoch kein Philosoph bin und mich in der Thematik auch nicht auskenne, blieb mir nichts anderes übrig als von meinem Bordcomputer die ganze Datenbank nach Philosophischen werken durchforsten zu lassen. Dann spielte ich das Ganze auf ein tragbares Gerät, stellte dieses auf die Lichtung und stellte auf Endlosschleife.
«Ihr habt genügend Zeit. Lasst es einfach laufen. Ihr findet darin alles von der Antiken griechischen Philosophie über die Chinesische Philosophie die jüdische, christliche und islamische Philosophie, den Strukturismus, den Konstruktivismus und den Existentialismus, den Kantianismus und die Kohärenztheorien. Natürlich die marxistische Philosophie und den Pragmatismus, den Positivismus, den Nihilismus und die Scholastik. Kurz, ihr findet darin jeden Unsinn der je durch eines irdischen Philosophen gesickert ist.»

Andere Möglichkeiten
«Du scheinst keine allzu grosse Meinung von der Philosophie zu haben.» meinte ein Stängel links von mir.
«Ach je, sie scheint mir halt, im Gegensatz zu echter Arbeit, nicht viel zu bringen. Natürlich verstehe ich weshalb ihr euch damit beschäftigt, immerhin fehlt euch der Daumen um einen Hammer zu halten, aber wo wird euch das letztlich hinführen? Muss dann nicht in letztendlicher Konsequenz der Gedanke «Ich höre auf zu denken, dann kann ich sein» stehen? Und was dann? Wie soll dieses sein aussehen? Also ich würde mich lieber auf die Dichtkunst oder Literatur verlegen. Dann könntet ihr euch wenigstens gegenseitig mit immer neuen Aufsätzen und Gedichten unterhalten.»
«Was sind Gedichte?» Fragte ein wie ein übergrosser Lattich Aussehender.
«Ich geb euch einige Beispiele
Impro zu jetzt, ein Limerick:
Auf diesem Planeten es standen
Philosophen die rührend gestanden
Wir kommen nicht weiter
Es ist nicht mehr heiter
Wir möchten bei besserem landen

Ein Haiku
fliegendes Raumschiff
Der weite Raum dahinter
Vergessene Zeit

Fallendes Pantone 7476
Herabfallendes Pantone 7476.
Wohin? Wohin?
Flieht ihr Narren, flieht!
Das Pantone fällt. Und fällt.
Drohend über den Köpfen.
Aus den Trauben der Fliehenden
lösen sich Einzelne,
knien und beten.
Dummköpfe!
Das Pantone fliegt und fällt und fällt
und Krach!
Den Dummköpfen auf den Kopf.
Da liegen sie im Gras und darauf
das Pantone 7476.
Ganz relaxt liegt es und schnurrt.
Dann hüpft es den Fliehenden hinterher.

Endlos
Ich liege und träume
eine Welt ohne Säume
Endlose Räume
kein Unten kein Oben
kein Himmel kein Boden
Alles verwoben

Das Auge
Über das Auge hinaus
sah ich die vierzehn Elefanten
fliegend!
Doch keiner zum Anbeissen
keiner zum Tanzen
nur der Schwippschwager
des Mannes mit dem Besen
der wollte trinken.
Was sollte ich tun?
Weiter sehen. Weiter sehen!

Doch dort war ausser Gehölz
und dem Echo eines Zuges
Nichts.
Tassen vielleicht und Scherben.
Ja Scherben.
Und eine Klarinette.

Weiter trieb der Blick.
Schwappte mit den Träumen hinüber.
Dort sah ich, es ist wahr,
Goldene Lampions und
Stühle aus Marzipan.
Und die vierzehn Elefanten
blickten mich an
und lächelten.

Alte Maschine
Alte gebrauchte, noch immer nützliche
Farbe abblätternde und Schlick anhäufende
grünblau graugraue
verschlauchte, Schrauben zerstörende
Lappen und Lumpen fressende Maschine!
Arbeitende, mit Arbeiter arbeitende,
Arbeiter bearbeitende;
Zeit schenkende und
in Anspruch nehmende Maschine!
Ich sehe dich, und habe keine Ahnung,
was zur Hölle du eigentlich machst!

Das sind Gedichte. Natürlich haben wir auch noch Klassiker von Früher. Schiller Göthe und so weiter.
Aber die hab ich grad nicht zur Hand. Auch seht ihr, dass die Gedichte sich mit Dingen der Menschen und ihrer Umwelt befassen. Ihr könnt es Inhaltlich wohl nicht verstehen.
Aber he, ihr könnt Gedichte über eure eigene Welt und über euch selber erfinden.»
«Nun ich weiss nicht, diese Gedichte und das alles, wozu soll das nützlich sein?»
«Tja wisst ihr, man drückt damit komplizierte Dinge einfach aus. Oder umgekehrt.»
So gingen unsere Gespräche hin und her und so einigten wir uns darauf, dass ich ihnen aus der Datenbank auch noch alle Poesie und Literatur auf das Gerät lud. Nun kamen abwechslungsweise Philosophische Traktate mit Gedichten und Romane.
Ich war mir, als ich abflog, nicht sicher ob ich das Richtige getan hatte. Immerhin habe ich mir einmal aufgetragen mich nie einzumischen. Andererseits habe ich diese Auflage noch nie eingehalten und mich immer eingemischt. Oft habe ich dabei alles falsch gemacht, aber das ist einfach das Risiko der Raumfahrt und meines abenteuerfreudigen Charakters der mutig vorwärts stürmt wo Engel furchtsam weichen. Dies meist ohne Sinn und verstand aber mit einem gehörigen Mass Spass. Zudem übte ich schon immer Kritik an der reinen Vernunft.
Euch Leserinnen und Leser kann ich aber beruhigen, denn ich bin vor kurzer Zeit wieder dort in der Gegend gewesen, habe einige ihrer Gedichte auf Alpha Centauri vertickt und damit einen Höllen-Boom ausgelöst. Die philosophischen Gedichte der T8ler sind der Hype. Schade dass die Moneten von Alpha Centauri hier auf der Erde absolut nichts wert sind. Ich wär sonst verdammtnochmal reicher Gott!

©Smy, 2019