WO WACHSEN PURZELBÄUME – DAVID BUCHER (LITERATUR)

David Bucher ist Autor für das «Büro für Erklärungsnotstände» und Musiker bei der Band «Buschi & Anni». Er schickte uns dankenswerter Weise eine Erklärung auf die hochnotpeinliche Frage wo denn Purzelbäume wachsen.

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Wo wachsen Purzelbäume?

Von David Bucher

Früecher, Jahrhunderte nach der letzten grossen Eiszeit, aber nur wenige Jahre nach der kleinen Eiszeit, gab es in Frankreich und später in ganz Europa die ersten Änderungen der angewandten Regierungsform. Die von M. Archiebald erfundene Regierungsform – die Monarchie (siehe Hautcreme) – wurde zum ersten Mal hinterfragt und kurzerhand über den Haufen geworfen. Auslöser war ein einfacher Pflastersteinmetz namens Napoleon. Dieser hatte eigentlich überhaupt nichts gegen die Monarchie – im Gegenteil, er liebte diese geradezu. Denn jeder gute Monarch wollte einen eigenen Palast. Dieser sollte möglichst gross und weit entfernt vom Pöbel in den Städten entfernt sein. Zudem sollte er möglichst gut von einer mit der königlichen Kutsche befahrbaren Strasse erreichbar sein. Diese Umstände ermöglichten es jedem Pflastersteinmetz, reich zu werden, da es ständig Pflastersteine zu hauen, zu liefern und zu montieren gab. Der Vorgänger des zu Zeiten Napoleons herrschenden Königs Ludwig XV. fand so grossen Gefallen an diesen gepflasterten Strassen, dass er kurzerhand das ganze Land mit einem Strassennetz bepflastern liess. Zu Zeiten Ludwigs XVI. gab es dann keine schlechten Strassen mehr und jeder Pflastersteinmetz musste leiden. Napoleon und ein paar andere Zunftbrüder gingen so eines Nachts durch Paris und fingen an, die Pflasterstrassen aufzureissen und die Steine aufzutürmen, damit sie diese später in die Seine werfen konnten. Sie versprachen sich so neue Strassenflick-Aufträge des Königs. Leider war in derselben Nacht die unzufriedene Salzteig-Bäcker-Zunft unterwegs, um den Mitgliedern der Süssteig-Bäcker-Zunft eine Abreibung zu verpassen*. Die unzufriedenen Salzsteinbäcker fanden die aufgetürmten Pflastersteine und fingen an, diese in die Fenster der Zuckerbäckereien zu werfen. Per Zufall war am selben Abend gerade auch der König mit seiner Gemahlin unterwegs. Natürlich waren die Salzteigbäcker auch über die Königin erzürnt und warfen Steine auf die königliche Kutsche. Das eine führte zum anderen und die Monarchie war abgeschafft.

Kurze Zeit herrschte Anarchie, dann wurde die Republik ausgerufen. Für kurze Zeit hatten die Pflastersteinmetzen wieder Arbeit, da sie alle von ihnen zerstörten Strassen wieder reparieren mussten. Die republikanische Regierung war aber auch nicht am Strassenbau interessiert, viel lieber spielten sie mit ihrer neuen Erfindung, der Guillotine, und Steinmetzen wurden nur noch gerufen, um blutverschmierte Pflastersteine zu reinigen. Napoleon sah nur noch einen Weg aus der Misere: Er ging erneut auf die Strasse, dieses Mal von Anfang an mit der seit der Revolution befreundeten Salzteig-Bäcker-Zunft. Sie stürmten den Republikspalast und Napoleon liess sich zum Kaiser krönen. Kaiser Napoleon war nun der mächtigste Mann von ganz Frankreich. Er hatte die Monarchie wiederhergestellt und hätte nun ja glücklich sein können. Dies war er aber keinesfalls. Schon bald fing er an, sein eigentliches Handwerk zu vermissen – die Pflasterstein-Meisslerei. Leider waren nach wie vor alle Strassen Frankreichs schon gepflastert und er suchte vergebens nach Arbeit. So fing er an, sich in andere Königshäuser einzuladen, um seine Zeit mit Reisen zu füllen. Auf diesen Reisen merkte er, dass die Strassen, sobald er Frankreich verliess, total uneben – halt ungepflastert – waren. Schnell war für ihn klar, dass seine Reisen lediglich eine Art Rekognoszation für weitere, diesmal aber militärische Besuche waren. Er liess sich ein enormes Heer zusammenstellen und machte sich auf, Preussen zu erobern.

Die Preussen waren schnell besiegt. Die Armee Napoleons durchschritt das Land und tat, was Armeen halt so tun. Sie plünderten, brannten Dörfer und Felder nieder und liessen keinen aufmüpfigen Preussen am Leben. Hinter der Armee zog das französische Pflastersteinmetz-Heer her und pflasterte die Strassen Preussens. Es passierte aber immer wieder, dass diese Metzen von Preussen ermordet wurden, da der Hass der Preussen auf die Franzosen gross war. Als Zunftmeiser der Pflastersteinmetz-Zunft kam dies Napoleon natürlich zu Ohren. Wieder musste er eine Lösung für ein scheinbar unlösbares Problem finden. Wie sollte er die Preussen davon abbringen, französische Steinmetzen zu erdolchen oder zu erschlagen? Einer seiner Generale namens Rolland Avant (von seinen Kollegen kurz Rolle genannt) schlug vor, den ganzen Feldzug nicht mehr als Eroberung, sondern als Befreiung zu deklarieren. Man sollte den Bauern und Handwerkern die Freiheit schenken – sie sollten keinem König mehr dienen müssen**. Jeder freie Preusse sollte auch ein eigenes Haus auf einer eigenen Parzelle erhalten. Napoleon gefiel die Idee und Rolle wurde zum obersten Parzellenverteiler ernannt.

Die Aufgabe war gar nicht so einfach, wie Rolle Avant es sich vorgestellt hatte. Die Preussen waren nun natürlich total glücklich, endlich frei zu sein und eine eigene Parzelle mit Haus haben zu dürfen und nicht mehr Leibeigene sein zu müssen, sie waren aber mit der Landverteilung total unzufrieden. Rolle teilte anfangs jedem preussischen Familienoberhaupt die gleich grosse Parzelle zu, egal wie gross die Familie war. So hatte eine 16-köpfige Bauernfamilie mit einem grossen Bauernhaus fast keinen Platz mehr für einen Garten, da das ganze Haus die Parzelle bedeckte, während kleine Familien mit kleinsten Hütten verhältnismässig einen Riesenumschwung erhielten. Aber auch dieses Problem hatte Rolle Avant schnell gelöst. Ihm war klar, dass die Grösse einer Parzelle von der Grösse des Hauses abhängen sollte, da dies wiederum von der Grösse der Familie abhing. Fortan wurde jeweils der gefällte Baum, welcher für den Dachfirst eines neuen Hauses verwendet werden sollte, über das freie Land gerollt. Zehn Umdrehungen dieser sogenannten Parzell-Bäume legten die Parzellengrösse fest, auf welcher nun das Haus errichtet werden durfte. Dies löste fast alle Probleme. In den grossen Wiesenländern rund um Köln, wo kein Baum (also auch keine Parzell-Baum) wuchs, hätte diese Methode natürlich nicht funktioniert. In diesen Gebieten hatten Behausungen Stroh- oder Heudächer. Rolle liess in diesen Gebieten jeweils den Heuballen, welcher für das Dach verwendet werden sollte, über den Boden rollen. Zehn Umdrehungen eines solchen Ballens legte nun die Heu-Parzelle fest. In Gebieten, in welchen die Menschen ohne Häuser lebten, drehte sich Rolle kurzerhand über den Boden, um so das Grundstück zu definieren.

Eine solche Rolle Avant (zu deutsch Rolle vorwärts), ein Parzell-Baum und eine Heu-Parzelle ist somit in etwa dasselbe. Wo diese Parzell-Bäume wachsen, ist nun natürlich auch klar. Dies ist keinesfalls eine botanische Bezeichnung, vielmehr eine Verwendungsbezeichnung eines gefällten Baumes. Noch heute wird eine Umdrehung eines Körpers Parzell-Baum, Heu-Parzell oder Rolle vorwärts genannt – oder eben fast … (da ist mal wieder so ein Schludrian eines bekannten Enzyklopädischen Werks schuldig). Vielmehr nennt man es heutzutage Purzelbaum oder Heubürzel***.

 

 

* Dies, weil die Königin in einem Interview im «Le Monde» sagte, sie möge kein Brot, sondern viel mehr Kuchen. Viele Fans der Königin verzichteten von da an auf Brot und assen stattdessen Kuchen.

** Nur noch dem französischen Kaiser, dies wurde aber natürlich nicht so gesagt …

*** Was aber passierte eigentlich mit Napoleon? Dieser hatte bald ganz Preussen gepflastert und fing an, weitere Länder zu erobern. Er bepflasterte ganz Europa bis Russland. Da meldeten sich aber seine Zunftmitglieder und weigerten sich, den hartgefrorenen Boden Russlands zu bepflastern. Napoleon kehrte kurzerhand um und liess sich eine Flotte bauen, um in England weiterzubauen. Auf seinen Schiffen führte er seine Armee, seine Steinmetzen und eine grosse Menge Pflastersteine mit. Leider lud er zu viel Steine in seine Schiffe, sodass diese nur bis Waterloo gelangten und dort untergingen. Ein grosser Teil seiner Armee und seiner Steinmetzen ertranken. Er konnte sich an einem leeren Rum-Fass festhalten und wurde an den Strand von St. Helena getrieben, wo er seinen Lebensabend verbrachte und die Insel mit wunderschönen Mosaik-Bepflasterungen bestückte.