Allein mit all dem Scheiss

Da schaltet man das Fernsehgerät ein und erfährt von Hunderten Kinder, die in den Residential Schools in Kanada getötet wurden. Die Kirche hat es vertuscht, so lange es ging. Aber die Zeit, der kleine Teufel, hat alles hervorgeholt.

Ich war schockiert und betroffen. Die Indigenen Nordamerikas und Kanadas waren nicht schockiert, denn sie wussten es schon lange. Interessiert hat es niemanden.

Vor einiger Zeit hörten wir von ähnlichen Gräueln, die an Kindern der Aborigines in Australien verübt worden sind. Wieder waren es Priester und Nonnen – auf die Kirche ist halt Verlass. Ich war schockiert und betroffen. Die Indigenen Australiens waren nicht schockiert, denn sie wussten es schon lange. Interessiert hat es niemanden.

Vor einiger Zeit hörten wir von ähnlichen Verbrechen, die an Kindern in Irland, England, den USA, in der Schweiz, in Frankreich, ach Scheisse: auf der ganzen gottverdammten Welt verübt worden sind.

Ich war schockiert und betroffen. Die vergewaltigten und gequälten Überlebenden dieser unsäglichen Taten waren es nicht, denn sie wussten es schon lange. Interessiert hat es niemanden.

Man könnte nun die Kirchen niederbrennen, diese Tempel eines erfundenen Gottes, der die Gräueltaten duldet und die Opfer verhöhnt. Aber was würde es nützen?

Man könnte all diese Priester und Nonnen, diese ganzen Knechte eines Gottes, der nur seine Diener schützt, einsperren und für immer aus der Gesellschaft nehmen. Aber was würde es nützen?

Nichts würde es nützen, denn die, welche diesem von ihnen selber geschaffenen Gott huldigen, glauben sich immer auf dem rechten Weg. Und nichts würde es nützen, denn diese Leute werden von den Regierenden dieser Welt seit jeher geschützt. Ganz so, als müssten diese noch immer, wie einst die Kaiser, vor diesem lächerlichen alten Mann, der sich Stellvertreter Gottes auf Erden nennt, zu Boden kriechen und um die Gunst der Macht betteln.

Nichts würde es nützen, denn letztlich wurden diese Verbrechen von Menschen gemacht. Menschen, die ihre Position in der Gesellschaft ausgenützt haben und noch immer ausnützen. Tatsache ist einfach, dass Menschen nicht gut sind. Waren sie nie und, so ist es zu befürchten, werden sie auch nie sein.

Also einfach resignieren? Die Verbrechen ungesühnt lassen? Oh nein, verdammt! Aber was sollen wir tun? Und, es ist ja so, wen interessiert es? Wir haben ja noch ganz andere Probleme. Klimawandel, Corona, Gendersternchen, rechtsnationale Spinner, die die Demokratie aufheben wollen, Gotteskrieger, die sich für Allah in die Luft sprengen, Despoten und Diktatoren, die der Welt, oder zumindest ihrem Volk, ihren Willen aufdrängen wollen, die ungerechte Verteilung der Ressourcen in der Welt, die – wie alle anderen obgenannten Punkte – Menschen aus ihren Häusern, Dörfern, Städten und Ländern treiben, sie in die Wüste zum Verdursten treiben, sie ins Meer zum Ertrinken treiben, sie in die Hände der Taliban, des IS, irgendeiner anderen seelenlosen Organisation treiben.

Wie also soll ein einzelner Mensch vor all dem Grauen, vor all den Ungerechtigkeiten und all den Herausforderungen stehen und sich nicht in die Hose machen vor Angst?

Ganz einfach. Es interessiert ihn nicht. Wir müssen das einfach alles ignorieren. Egal, wenn da draussen noch so viele Kindergräber ausgebuddelt werden. Wen interessiert’s! Ich kenne die ja noch nicht einmal. Und der Klimawandel? Scheiss drauf, bis der mir wehtut, bin ich schon lange Asche. Corona? Pah, das sollen der Staat und die Pharmaindustrie unter sich ausmachen. Und was interessieren mich die Afrikaner und Araber. Sollen sie sich doch gegenseitig abschlachten für ihren Allah. Und bei uns lassen wir einfach die Kinder ein, zwei Jahre nicht mehr in die Kirche, bis dann ist Gras über die Gräber gewachsen und niemanden interessiert es mehr.

Ja, so sollten wir das machen. Bestimmt wäre dies das Beste. Und immer schön mit Games, Sport und Hollywood ablenken. Funktioniert prima!

Oder wir zünden doch ein paar Kirchen an. Hängen einige Pastoren und Nonnen an ihr Kreuz und lassen ihren Gott entscheiden, ob er sie in seinem vielgelobten Himmelreich haben will. Das macht sicher Spass!

Oder aber – und ich weiss, das ist verdammt gewagt – wir machen nichts von alledem. Wir anerkennen per sofort, dass die Welt kompliziert ist. Dass es einfache Antworten nicht gibt. Dass wir uns damit abfinden müssen, dass kein grosser Gott kommt und uns rettet, und auch kein Führer. Wir sind mit uns allein. Das ist es. Wir können nicht für jedes Schicksal dieselbe Antwort finden. Wir können machtlos der Welt gegenüberstehen. Alles, was wir dann noch haben, ist unsere Integrität. Und wenn wir nicht gleichzeitig für alles um uns herum Respekt empfinden, alles um uns herum als uns gleichgestellt, als ebensolches kleines Reiskörnchen im unendlichen Sack des Universums verstehen, dann werden wir eben untergehen.

Wen interessierts.