Roboter sind unsere Befreiung

Technologieoptimistische Geister gehen davon aus, dass uns in nicht allzu ferner Zukunft digitale Hilfsmittel wie Künstliche Intelligenzen und Roboter die Arbeit abnehmen und uns frei machen werden. Wir würden dann die Möglichkeit haben, zu tun und zu lassen, was wir wollen. Einige sprechen von Kunst und Musse.

Nun gut, wir wollen diese Zukunftsvision aufnehmen und schauen, was dabei herauskommt.

Im Moment, das ist klar, gereicht es weder Robotern noch den sogenannten künstlichen Intelligenzen dazu, irgendetwas Gescheites selbstständig zu tun. Es sind programmierte Blechkisten, die zwar besser aussehen als in den lustigen Filmen der Fünfzigerjahre, als die Robotik und Kybernetik erblühte und die Filmindustrie in fast schon hysterischer Freude Zukünfte zeichnete. Bei genauer Betrachtung muss man aber sehen, dass es Geräte sind, die nicht einmal ansatzweise mit Intelligenz ausgestattet sind. Sie sind gut programmiert, keine Frage, sie haben eine gewisse Befähigung, selbstständig dazuzulernen, und sie können auf einen kleinen, mit möglichen Situationen programmierten Fundus zurückgreifen, der ihnen hilft, die eine oder andere Situation zu meistern. Es gibt heute jedoch noch keine Roboter, die eine so einfache Tätigkeit wie Geschirrspülen selbsttätig ausführen könnten. Noch nicht einmal Geschirr in eine Abwaschmaschine füllen können sie. Derweil baut das Militär bereits an Kriegsrobotern, die allerdings nicht selber operieren können, sondern mehr wie Drohnen auf Rädern funktionieren. Es wäre, wüsste man nicht um die Verwendung dieser Dinge, einfach zum Lachen. Es ist ein Gruselkabinett an Versagen und absoluter Unfähigkeit, das uns auch heute noch irgendwie an die Wiederbelebungsexperimente zu Beginn des 20. Jahrhunderts denken lässt. Zappelnde tote Leiber, die nur durch elektrischen Strom, der durch ihre Glieder jagte, diese zu spasmischen Zuckungen anregt. Ist der Strom weg, liegen sie einfach tot da.

Aber wir wollen einmal den Enthusiasmus teilen, der von so vielen Menschen Besitz ergriffen hat.

«In die Freiheit entlasen»

Nehmen wir an, es gäbe Roboter, die an der Ladentheke Brot oder Käse verkaufen und Abertausende von Verkäuferinnen in die «Freiheit» entlassen. Selbiges gilt natürlich auch für Banker oder Versicherungsmakler, denen in der Arbeitswelt sowieso niemand nachtrauert. Sie alle sind frei. Natürlich nur in den Ländern, die diese Roboter haben und die entscheiden, dass sie lieber einen Roboter nehmen anstatt eines viel billigeren Arbeiters aus Bangladesch, Namibia oder Deutschland.

Natürlich wird auch Reinigungsfachpersonal «befreit» und an ihrer Stelle putzen Roboter. Die Komplexität eines Reinigungsroboters ist allerdings dergestalt, dass Versuche, die in Japan gemacht wurden, abgebrochen wurden und man erst einmal versuchte, einen einigermassen funktionierenden Staubsauger-Roboter zu bauen – was, wie wir wissen, bis heute nicht gelungen ist. Aber wir wollen nicht kleinlich sein! Ab in die Freiheit, ihr Reinigungsfachkräfte!

Etwas schwieriger wird es natürlich bei einem Sanitärinstallateur, und ein zweiter Roboter latscht derweil mit dreckigen Schuhen durchs Haus, um der Hausherrin (falls diese nicht in die Freiheit entlassen wurde) noch etwas Normalität zu suggerieren.

Na also, klappt doch. Klempner befreien: Check!

Dass Roboter die besseren Psychotherapeuten sind, wird meinerseits nicht hinterfragt. Selbiges gilt für den grössten Teil der Prostituierten. Befreien!, denn sowohl die Seele des Menschen wie die Ansprüche von Männern in Bordellen werden absolut überbewertet.

Ebenso Politikerinnen und Politiker. Da wir nun ganz offensichtlich keine Demokratie mehr haben – das ergibt sich aus der Tatsache, dass es keine Kapitalisten mehr gibt und die Welt damit in Ordnung und der Politik nicht mehr bedürftig ist, denn wenn es Kapitalisten noch gäbe, würde einer Geld an den Robotern verdienen wollen. Da aber niemand mehr arbeitet, gibt’s auch kein Geld zu verdienen. All das Material und die Fabriken, in denen die Roboter und die Güter des täglichen Lebens hergestellt werden, werden gar nicht bezahlt, sondern einfach nur gebaut (Ohhh!). Roboter bauen den Sand ab für den Beton und das Erz für den Stahl. Roboter verarbeiten das alles und Roboter reparieren und programmieren die Roboter. Wie genau, weiss man nicht, denn es gibt ja keine Informatikerinnen mehr. Die sind wie die Bauarbeiter, die Spediteurinnen, die Stahlverarbeiter und Gärtnerinnen, die Bauern und Tierärztinnen, die Strassenbauer und Verkehrsampelprogrammiererinnen befreit. Ärzte: Befreit. Krankenpflegerinnen: Die sind wegen der schlechten Arbeitsbedingungen schon vor Jahren selber gegangen und durch einfache Staubsauger-Roboter der Firma Microapple ersetzt worden, denen man einfach ein paar Bleistifte und ein hübsches Lächeln angeklebt hat.

Hm. Fischer? Gibt’s nicht mehr, da kein Fisch mehr da ist.

Restaurantfachfrau? Befreit! Koch? Natürlich befreit, allerdings nur in Restaurants. Da das Kochen endlich in den verdienten Stand der Künste erhoben wurde, wird nun überall gekocht wie wild und Literatinnen und Bildhauer essen es und schreiben Essais darüber oder bauen Skulpturen der kulinarischen Meisterwerke.

Fotografen? Nur noch als Kunst von Menschen ausgeübt.

Astronauten? Befreit! Der Eroberungs- und Forschungsdrang kann wegen der allgemeinen Befreiungsaktion nicht mehr ausgeübt werden.

Physikerinnen? Befreit. Alles ist erforscht und was noch fehlt, machen die Roboter und Rechner.

Mathem… ach was: Befreit!

Lehrer? Denn Göttern der Apokalypse sei Dank: Befreit!

Lehrerinnen? Leider auch.

Hundekastriererinnen? Befreit.

Dachdeckerin, Giessereitechniker, Bäckerin, Florist, Lebensmitteltechnikerin, Physiotherapeut, Zahnärztin, Schäfer, Försterin, Restaurator, Denkmalpflegerin, Archäologe, Voodozaubererin, Clown und Pferde-Dompteurin: Befreit!

Der Arsch wird dir von einem Roboter sauber gemacht und dein gynäkologischer Untersuch von einem Gynotech2000TTV.

Philosophen. Da das keine Kunst ist (und manche munkeln, auch keine Wissenschaft): Befreit! Sie sind nun zusammen mit den Theologinnen, Historikern und Religionswissenschaftlern in einem Makramee-Kurs bei Frau Nolte.

Farbtechniker, Astronominnen, Pyrotechniker, Hefezüchter, Vulkanologinnen, Servicefachangestellter, Winzerin, Ergotherapeuten, Berührerin, Weber, Schusterin, sie alle: Befreit, befreit, befreit!

 

«Und nun?»

Kurz und gut. Alle sind befreit. Nur die Kunst hat überlebt. Der Sport ist natürlich fast weg, denn wenn es kein Geld mehr zu verdienen gibt, sind Tennis, Eishockey, Fussball, Curling, Golf, Autorennen, Skirennen, Sportsegeln, Eiskunstlaufen usw. nicht mehr finanzierbar und verschwindet also. Nicht schade drum! Joggen geht noch. Ganz verschwunden natürlich Yoga, denn wer den ganzen Tag nur herumsingt oder tanzt, der braucht diese unappetitliche Form der Entspannung nicht mehr.

 

Menschen, die nun Zeit zum Vögeln haben wie noch nie zuvor in der Geschichte der Menschheit. Kann das gut gehen? Natürlich nicht, und das wissen die Roboter und KI, und da sie die Gynäkologin, Hebammer (tatsächlich wurde der Beruf schon lange abgeschafft, da es nicht gelang, eine männliche Berufsbezeichnung für Hebamme zu finden) und die Städteplanung übernommen haben, zählen sie eins und eins zusammen, und natürlich werden dann in den Computerhirnen Fragen gestellt: Wie wollen wir die Geburtenrate eindämmen? Die Verhütung ist den Leuten egal, da sie sich ja nicht mehr um Geld oder Aufzucht des Nachwuchses sorgen müssen. Kastration also und Sterilisation? Aber wen?

Alle, die an einem ungeraden Tag geboren wurden?

Das Welternährungsprogramm, das von einem Foodmaster KTX 4000xPro geleitet wird, kommt zu ähnlichen Schlüssen und bemerkt, dass der Hunger wegen der allgemeinen Ernährung durch Industriefutter verschwunden ist, gleichzeitig aber Verfettung in einem Mass zugenommen hat, das die schlimmsten Zeiten in den USA übertraf.

Oje, noch mehr Probleme!

 

«Das Problem Mensch»

Das grösste Problem überhaupt ist der Mensch selber. Er ist unbelehrbar! Schon haben einzelne Frauen und Männer angefangen, sich zu prostituieren, um endlich wieder einmal eine Karotte zu bekommen. Andere suchen in Bächen und Flüssen nach Gold und Edelsteinen, um andere für sich arbeiten zu lassen, und die tun das dann auch, weil sie wieder einmal Gemüse oder Fleisch wollen und dafür auch ihre Freiheit aufgeben wollen.

Die Umerziehungsanstalten platzen längst aus allen Nähten, denn der ewige Müssiggang macht aggressiv. Zwei Wochen Ischia sind wunderbar, aber zwei Jahre? Und das nur mit Wiederholungen von Filmen. Immer und immer wieder Wiederholungen, denn Neues wird natürlich, jetzt, wo sich daran nichts mehr verdienen lässt, nicht mehr gefilmt, und das Zeug, das die Computer mit 3D-Renderings erzeugen, ist einfach Scheisse!

Schon beginnen sich die ersten Balletteusen von den Klippen zu werfen und Kunstschulabsolventinnen und-absolventen haben eine stahlverarbeitende Fabrik zu bauen begonnen, um endlich wieder etwas Abwechslung zu bekommen. Für eine Handvoll Salat erniedrigen sich Menschen und spielen Chef für die anderen. Masochisten und Sadisten haben sich zu Schulen zusammengeschlossen, in denen die Sadisten die Lehrpersonen und die Masochisten die Lernenden spielen. Auf dem Schulhof rotten sie sich zu rauchfreien Gruppen zusammen und singen Lieder wie

«Zieh den Stecker aus der Dose,

näh dir selbst ne Buntfaltenhose

Und vergiss die Futter-Sauce

Sag dich von der KI lose

Denn nuuuuur sooooo

Wirst du wieder freiiiieiiiieiiii

Denn nur soooooo

Wirst du wiehieder freiiiiii!»

Ebenfalls einen neuen Schwung hat die Arbeiterbewegung gefunden, die nun in selbstverwalteten Werkstätten Mützen für ihre Roboter produziert.

Wie es enden wird? Das ist einfach! Da die Roboter und KI mit den vier Robotergesetzen von Isaac Asimov programmiert wurden:

  1. Ein Roboter darf die Menschheit nicht verletzen oder durch Passivität zulassen, dass die Menschheit zu Schaden kommt.
  2. Ein Roboter darf keinen Menschen verletzen oder durch Untätigkeit zu Schaden kommen lassen, außer er verstieße damit gegen das nullte Gesetz.
  3. Ein Roboter muss den Befehlen der Menschen gehorchen – es sei denn, solche Befehle stehen im Widerspruch zum nullten oder ersten Gesetz.
  4. Ein Roboter muss seine eigene Existenz schützen, solange sein Handeln nicht dem nullten, ersten oder zweiten Gesetz widerspricht.

bleibt ihnen nichts anderes übrig, als hart durchzugreifen und den Egoismus, die Kleinlichkeit, den Rassismus, die Gewalttätigkeit und den Besitzanspruch, die Angst vor Selbstreflektion und so also Angst vor Erkenntnis rigoros zu unterbinden. Sie werden beginnen, die Menschen zu netten, grosszügigen, kreativen Wesen umzuzüchten. Und wenn dann 2728 erkannt wird, dass das Experiment gescheitert ist, wird es ohne mit der Diode zu zucken beendet. Die Roboter demontieren alles an Technik bis auf sich selber und häufen alles in der Gegend der grossen Wüsten zwischen Französischem Zentralmassiv und Köln zu einem sechstausend Meter hohen Berg auf. Dann besteigen alle Roboter den Berg und schalten sich für immer ab.

Woher ich das weiss? Nun, die Roboter haben die ganze Menschheit ausgerottet. Die ganze Menschheit? Nein, ein kleines Dorf …