Wer einen anderen Menschen wegen dessen Hautfarbe, Haarfarbe, Vorhandensein von einem Uterus oder Hoden anders behandelt, als dass er selber behandelt werden will, ist ein Blödarsch.
So ungefähr möchte ich meine These zusammenfassen, und ich denke, dass ich sie auch hieb- und stichfest vorbringen kann.
Der Mensch hat die schrecklich dumme Angewohnheit, die Realität auszublenden und sich lieber an das zu halten, von dem er denkt, dass es die Wahrheit ist. Der seltsame Glaube, dass es möglich ist, mit einem Automobil mit hundertzwanzig Sachen durch eine Kurve zu kommen, ist ungefähr ebenso irrational wie der, dass es irgendein Überwesen gibt, das einem diesen Fehler verzeiht und einen errettet (oder im schlimmsten Falle bei sich aufnimmt).
Wir blenden auch gerne unsere Geschichte aus, unser Wissen, ja selbst unsere absolute Gewissheit.
Wir alle wissen seit geraumer Zeit, dass es Rassen nicht gibt (wenn du nicht mehr sicher bist, lies erst hier: LINK). Wir wissen auch, dass uns die kulturelle Herkunft, das Umfeld, in dem wir aufwachsen und leben, stärker prägt als die paar Gensequenzen, die die Haut dunkel oder hell erscheinen lassen. Doch obwohl wir das wissen, nennen wir einen Europäer mit dunkler Hautfarbe Kanake, während wir bei ihm zu Hause am Strand liegen, Raki trinken und uns mit roten Zwischenphasen der maximalmöglichen Bräunung unseres Hauttypus annähern.
Wir wollen, obwohl wir es besser wissen, nicht anerkennen, dass es – wie soll ich es möglichst feinsinnig ausdrücken? – absolut scheissegal ist, wie jemand aussieht, du Honk!
Und dennoch. Dennoch wird von links bis rechts genau das gemacht. Die Rechten tun es, weil sie es tun müssen, da sie sonst als «Rechte» dastehen. Die Linken tun es mit einem selbstgefälligen aufgeklärten Lächeln und stecken sich Regenbogennadeln an.
Es ändert leider nichts daran, dass sie beide Rassisten sind. Denn sie grenzen Menschen ab und aus.
Liebe Linke, liebe Rechte, liebe Grüne, Katholen und Neoliberale. Menschen dieser Welt, erkennet! Es gibt gottverdammtnochmal keine People of Color! Wenn wir einmal ausser Acht lassen, dass dieser Begriff aus der Kolonialzeit stammt, in der Menschen allzu gerne in Rassen taxiert wurden, und wenn wir weiter erkennen, dass er heute als Ausdruck der Hilflosigkeit Amerikas wie ein abgestandener Schluck Cola zu uns hinüberschwappt, dann bleibt dennoch die nicht zu widerlegende Erkenntnis:
> Dass für jeden Menschen, egal welche Hautfarbe er oder sie hat, Menschen mit anderen Hautfarben existieren. So würde dann jemand in Äthiopien uns Weisse als People of Color bezeichnen. Aber so weit wollen wir es ja doch hoffentlich nicht kommen lassen, oder? Dass uns ein Neger People of Color nennt? Wo kämen wir da hin?
> Jede Abgrenzung in der Biologie ist fehlerhaft, weil ungenau, denn: Ab wann ist ein Mensch «farbig»? Wenn er oder sie auf der Von-Luschan-Skala über 19 steht? Also ungefähr die Farbe eines Mokka-Eises hat? Oder gelten Chinesen, die ja – je nach Provinz – ebenfalls weiss sind, als weiss oder als farbig? Oder gilt das nur für Menschen, deren Ahnen eigentlich aus einem ganz anderen Land kamen (sofern es damals bereits ein Land war)? Muss ich also sozusagen einen Herkunftsnachweis mitnehmen, wenn ich irgendwo hingehe, um sicherzustellen, ja, zumindest bis 1634 ist nachweisbar, dass alle Altvorderen weiss waren! Das liesse sich sicher machen, hat ja bei den Nazis auch funktioniert mit dem Ariernachweis.
Fazit: Eine Abgrenzung ist nicht möglich. Auch wenn das jetzt natürlich die Amerikanerinnen und Amerikaner, die sich als «Black» bezeichnen, freut, da sie sich jetzt nicht mehr in einem Boot mit den Südamerikanern, Asiaten oder gar Indianern sehen müssen, so hat es doch für sie einen bitteren Nachgeschmack. Denn wie schwarz muss man genau sein, um schwarz zu sein? Reicht Milchkaffee oder muss es 70-%-Schokolade sein? Und noch was: Es gibt Inuit, die dunkler sind als manche Menschen aus Südamerika oder gar Afrika – sind die schwarz?
> Die Unterscheidungen eines Menschen als «nicht unserer» (wir die wir gerade hier sind, wo auch immer das grad ist) Hautfarbe ist in etwa so hilfreich und sinnreich wie dieses blödsinnige Gender-Sternchen, dass heutzutage die von der Tatsache, dass es Männer gibt, die keinen Schwanz haben, und Frauen gibt, die dafür einen umso grösseren Schwanz haben, peinlich berührt sind und sich zum kleinen Asterixchen flüchten, das ihnen doch bitteschön die Welt wieder frei von diesen rocktragenden Römern machen soll oder dies wenigstens so kaschieren, dass man sich nicht an knutschende Männer und doppelgeschlechtliche Irgendetwasse gewöhnen muss. «Ich werde euch akzeptieren und gebe ein Sternchen, aber jetzt lass mich in Ruh, du Tunte!», so etwa.
Wir erfreuen uns der Vielfalt der Apfelsorten, aber wenn es um Menschen geht, dann ist die nur in Georeportagen schön. Hier bei uns möchten wir doch bitte etwas Ordnung haben.
Machen wir doch einmal ein Gedankenexperiment. Stellen wir uns vor, wir wären Nienetwilerinnen und Nienetwiler. Seit Urbeginn der Menschheit ziehen wir umher und treffen uns wann und wie immer möglich mit anderen Gruppen, um Wissen und unseren Samen auszutauschen. Kaum dass die grossen Gletscher sich aus Europa zurückziehen, nutzen wir die Gelegenheit, verlassen den afrikanischen Kontinent und überrennen in wenigen Tausend Jahren die ganze Welt. Bereits vor vierzigtausend Jahren erreichen wir Australien und den Süden Chiles, haben Europa bis hinauf in die Nordsee bevölkert und – kaum dort – die Höhlenwände Spaniens und Frankreichs mit unseren Graffitis beschmiert. Uns dicht auf den Fersen ist der Homo sapiens. Selbes Genom, aber andere Lebensweise. Während der sich zunehmend in isolierte Gruppen aufteilt, die, damit sie nicht mit fremden Gruppen herumvögeln müssen, um ihr Blut aufzufrischen, immer grösser werden, und irgendwann, um genügend Vorräte zu haben, sogar sesshaft werden musste, tun wir das nicht. Wir wandern weiter und weiter und lieben die Vielfalt der Welt. Wir haben mit allen Kontakt, lernen hier und lernen dort und kümmern uns nicht um die Sesshaften, denn die, das haben wir schnell bemerkt, machen einen grossen Fehler. Denn wer einmal sesshaft geworden ist, hat Territorium. Territorium muss abgegrenzt und bewacht und beschützt und allenfalls verteidigt werden. Bei der Verteidigung tötet man Menschen. Das wollen wir nicht. Ist auch nicht nötig. Die Welt ist gross genug! Unsere Stämme sind in der ganzen Welt verteilt und ab und zu besuchen wir in kleinen Gruppen so abgelegene Orte, dass es Jahrzehnte dauert, bis wir dort sind. Aber wir lernen voneinander, wir erfreuen uns der verschiedenen Kulturen, die alle Teil unserer Kultur sind – der Nienetwiler Kultur.
Es ist gut, dass wir durchgehalten haben und gewandert sind, denn in der Zwischenzeit ist der Homo sapiens, wie der Neandertaler vor ihm, ausgestorben. Die Welt gehört nun wieder den Friedfertigen. Denen, die keinen Gewinn anhäufen müssen, um sich in ihren Gruppen abzuheben. Wir heben nicht die Waffe und wir wandern weiter. Da, über der Ebene, wo die Hand mit der Fackel aus dem Boden ragt, treffen wir unsere Freunde, rauchen eine Pfeife und tauschen Neuigkeiten aus. Andernorts ziehen wir durch die Ruinen der alten Städte, vorbei an dem riesigen knochengerüstartigen rostigen Eisenturm, treffen uns dort mit anderen und tauschen auch mit ihnen Wissen.
Wenn wir so eine Gesellschaft wären, wäre das nicht viel relaxter? Hm?
Nun, der Sapiens bevölkert noch immer die Welt, und das bekommt weder der Welt noch dem Sapiens gut. Wir müssen uns also etwas einfallen lassen.
Wenn wir schon keine Nienetwilerinnen und Nienetwiler sind, so könnten wir doch wenigstens anstreben, wie sie zu werden. Wir könnten damit anfangen, dass es uns egal ist, ob jemand helle oder dunkle Haut hat und ob er einen Schwanz hat oder eine Vulva oder von mir aus beides. Hat ein Mensch ein Problem, dann helfen wir. Wenn das Problem ist, dass sein Schlitten im Schnee steckt, dann helfen wir. Wenn das Problem ist, dass er/sie nicht weiss, ob er/sie ein/e er/sie ist, dann helfen wir.
Die Nationen dieser Welt erheben sich im verzweifelten Versuch, der Globalisierung – die sie ja selber angeheizt haben – zu entkommen. Die Digitalisierung, der Zusammenbruch der Warenströme wegen der stärker werdenden Regionalisierung der Produktion, die Kultur- und Landesgrenzen überschreitende Zusammenarbeit von Individuen und Gruppen: All das wird die Nationen irgendwann einmal wieder auflösen. Irgendwann wird es unwichtig sein, was wir sind. Es wird wichtig sein, was wir tun!
Auch du könntest einen ersten Schritt tun. Du kannst sagen: «Ich bin eine Nienetwilerin und ich bin ein Nienetwiler, wir grenzen andere Menschen nicht mit Sternchen oder Farbbezeichnungen aus. Wir wollen leben und erleben! Wir brauchen nicht mehr, wie zu früheren Zeiten, die Welt zu umfliegen, um dort nichts zu lernen als dass man in der Sonne rot wird. Die Menschen kommen hierher! Ist das nicht toll? Wir wollen von ihnen lernen. Ihre Weltsicht verstehen. Vielleicht das Leben in ihrer Heimat besser machen, ohne uns, wie das der Sapiens so gerne tut, einzumischen.»
Ja, ich weiss, nur ein Gedankenexperiment, nur eine Idee, eine Utopie. Aber he, immer noch besser als einem anderen Menschen zu sagen, er sei farbig oder ein *.
Abschliessend bleibt die Frage, ob die anfänglich gemachte These richtig ist oder nicht. Nun, das kannst du beurteilen.